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Der Chef der Opposition Lulzim Bahsa führt die Proteste an.

Foto: REUTERS/Florion Goga

Tirana/Sarajevo – Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass die albanische Opposition einfach nur den Wahlkampf vorgezogen hat – am 18. Juni finden Parlamentswahlen statt. Seit einem Monat gibt es täglich Proteste. Die Anhänger der Demokratischen Partei (DP) haben vor dem Regierungssitz sogar ein Zelt errichtet, in dem sie unter anderem Schach spielen.

Doch es geht nicht nur um Protest gegen die sozialistische Regierung. Seit einem Monat boykottiert die DP auch jegliche Parlamentsarbeit – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Justizreform, die von der EU und von den USA gefordert worden war, umgesetzt werden soll. Konkret geht es um jene Überprüfungskommission, deren gesetzliche Grundlage nun vom Parlament bestätigt werden müsste und die die korruptesten Richter und Staatsanwälte aus dem Justizapparat entfernen soll.

Die Beweislast soll beim Verdächtigen liegen. Wenn dieser sein Vermögen nicht erklären kann, wird er entlassen. Etwa 20 Staatsanwälte und Richter sollen Millionen von Euro besitzen.

Doch wegen des Parlamentsboykotts der Opposition geht nun nichts weiter. "Die Justizreform wurde im Vorjahr beschlossen, aber den Kampf gegen sie hat man auf die Zeit der Umsetzung verschoben", meint ein EU-Diplomat zum STANDARD. Widerstand komme nun nicht nur von der DP, sondern auch von der kleinen Koalitionspartei LSI. In der Zwischenzeit gibt es aber Überlegungen, ob die Überprüfungskommission auch ohne Beteiligung der DP formiert werden könnte.

"Technische Regierung"

Die Opposition argumentiert ihren Boykott offiziell damit, dass die Regierung das Land destabilisiere. Oppositionschef Lulzim Basha fährt diese Tage sogar in die USA, um für die Einrichtung einer "technischen Regierung" im Vorfeld der Wahlen zu lobbyieren. Viele Parteien auf dem Balkan geben zurzeit viel Geld dafür aus, um in Washington ihre Ziele durchzusetzen. Seit Präsident Donald Trump im Amt ist, gelten solche Lobbyversuche als aussichtsreicher, weil die Politik der US-Administration in Südosteuropa unklarer geworden ist.

Vielen "Businessleuten", die bisher über korrupte Richter oder Staatsanwälte ihre kriminellen Netzwerke und damit auch viel Geld "gesichert" haben, läuft es vor allem zuwider, dass auch Vertreter der EU und der USA in die Überprüfungen einbezogen sind – denn dies bedeutet weniger Einflussmöglichkeiten.

Ein zusätzlich immer größer werdendes Problem ist der Cannabisanbau in Albanien. Viele Politikbeobachter befürchten, dass Geld aus dem Geschäft in den Wahlkampf fließen könnte. Kürzlich wurde der Innenminister ausgewechselt. (Adelheid Wölfl, 21.3.2017)