Balkangrill nimmt Haltung an: Das Merak auf der äußeren Mahü vermittelt nicht nur geschmacklich Cevapcici-Kompetenz.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Grillteller für zwei Personen bietet einen guten Querschnitt des Angebots.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Für die einen ist die Cevabzinica Zeljo der beste Cevapcici-Grill der Welt, für andere jener von Petica Ferhatovic, etliche schwören auf wieder ein anderes der zahllosen Grilletablissements, mit denen Sarajevo gesegnet ist. Was außerhalb von Banja Luka, Tuzla und ein paar anderen, nicht minder gerühmten Cevapi-Zentren des Balkans aber einigermaßen außer Streit steht, ist die Vorherrschaft der bosnischen Hauptstadt in der Expertise, die faschierten Schmallaberln zu geschmacklicher Perfektion zu formen und zu grillen.

Dem Vernehmen nach werden den Topbetrieben regelmäßig Unsummen geboten, um ihre grimmig gehüteten Geheimrezepturen preiszugeben. Cevapcici sind ein Mythos, auch wenn sich das angesichts des in Wien bislang Feilgebotenen nur bedingt nachvollziehen lässt. Hierorts wird der knusprig elastische Grillfinger umgangsprachlich als "Hundstrümmerl" verunglimpft, was nicht nur der sprichwörtlichen Liebenswürdigkeit des lokalen Charakters zuzuschreiben sein könnte.

In Sarajevo wird, im Unterschied zum Rest von Exjugoslawien, ausschließlich Kalbfleisch aus der vorderen Hälfte des Tiers verarbeitet, während anderswo auch Rind, Lamm und natürlich Schwein zum Einsatz kommen. Das ist auch im Merak von Mirnel Sadovic nicht anders. Der Mann kam als siebenjähriger Flüchtling aus Sarajevo nach Wien, wurde Fußballprofi und ist Auskennern offenbar als jener Spieler geläufig, der mit seiner Schusskraft einst wesentlichen Anteil am Aufstieg Wiener Neustadts in die Bundesliga hatte. Das war 2009, verdammt lange her. Inzwischen ist Sadovic Wirt und lässt die Karriere vergleichsweise gemütlich in der niederösterreichischen Landesliga ausklingen.

Sein Vater Halil hingegen ist Cevapi-Grillmeister. Ein gemeinsames Lokal war lange geplant, jetzt hat es an der äußeren Mariahilfer Straße Gestalt angenommen – und bemerkenswerte dazu: Das Merak ist mit viel Naturholz, rauem Leder, Betonschank und schwarzen Fliesen echt hübsch geworden. Die Lüftung funktioniert so effektiv, dass vom Holzkohlengrill nicht einmal eine Ahnung von Rauch im Raum verbleibt und das abstrakte Kelim-Relief an der Wand sieht nach zeitgenössischer Kunst aus, ist aber, Stanley-Messer sei dank, in Eigeninitiative aus einem antiken Teppich gebastelt. Respekt!

Großes Brot

Den verlangt einem auch das Essen ab. Die Cevapcici kommen wahlweise klassisch im großporigen Somun-Fladenbrot – von der Holzofenbäckerei Brajlovic in Altmannsdorf und eine reine Freude – oder auf geschmolzenem Kajmak zu Tisch. Was soll man sagen: Derart rauchig knusprige, flaumig und doch kernig schmeckende Cevaberln vom Holzkohlengrill wird man in Wien lange suchen müssen. Den Dickrahm-Kajmak produziert ein Nebenerwerbsbauer aus dem Waldviertel exklusiv für das Lokal, der tadellose Ajvar wird zugekauft, bei den rohen Zwiebeln würde man sich welche von der milden, mediterranen Art wünschen, ohne das beißende Aroma der hier gewachsenen, das einen noch Stunden später retroaktiv durch den Abend schiebt.

Im Zweifel vom Konsum absehen, die Qualität des Fleisches lässt aggressive Würzmittel dieser Art ohnehin überflüssig erscheinen. Das gilt auch für die Bratwürstel oder den Hendlspieß, aus der Brust geschnitten und dennoch nicht ganz saftbefreit. Der Grillteller für zwei Personen (siehe Bild) bietet einen guten Querschnitt des Angebots, Krautsalat mit Paradeisern, klassisch mild angemacht, will man auf jeden Fall dazu. Alkohol gibt es keinen, dafür Cockta und hausgemachtes Trinkjoghurt der animierend milden Art. Wien ist wieder ein Stück mehr Balkan geworden. Soll sein! (Severin Corti, RONDO, 24.3.2017)