Ein natürliches und ein comichaft stilisiertes Gesicht: Beide lassen uns mitfühlen, wie ihr Einsatz in einem Experiment zeigte. Das rechte vergessen wir allerdings schneller wieder.

Foto: CITEC/Universität Bielefeld

Bielefeld – Unzählige Fans von Shrek, Manni dem Mammut oder Arielle der Meerjungfrau werden nicht überrascht sein, wenn Forscher erklären, dass wir mit Cartoon- beziehungsweise Comicfiguren ähnlich mitfühlen können wie mit Menschen. Doch selbstverständlich ist dies nicht. Und noch weniger klar ist, wo und wann die Grenzen der emotionalen Wirkung verlaufen. Deutsche Forscher haben den Effekt nun mit einer Reihe von Experimenten genauer untersucht, berichtet die Universität Bielefeld.

Forscher des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) setzten ihren Probanden nacheinander 18 Bilder von ein- und derselben Person vor. Drei Fotos waren unverfälscht und zeigten die Person fröhlich, wütend oder mit neutralem Gesichtsausdruck. Außerdem gab es für jeden der Emotionsausdrücke fünf Varianten des Bildes, die die Person zunehmend stilisierter zeigten – bis hin zur comichaften Kunstfigur.

Im unheimlichen Tal

Während die Probanden die Bilder jeweils für eine Sekunde betrachteten, zeichnete ein EEG-Gerät auf, wie stark das Gehirn auf jedes der Bilder reagierte. Dabei stellte das Team um die Psychologin Johanna Kißler fest, dass es zwei Spitzenwerte gab: "Die Versuchspersonen reagieren sehr intensiv auf die Extreme – auf die echten Fotos und auf die Bilder, die am stärksten wie eine Cartoon-Figur aussehen," sagt Kißler. Die Bilder, auf denen die Gesichter nur geringfügig verändert waren, ließen die Probanden hingegen vergleichsweise kalt.

Kißler verweist dazu auf den sogenannten Uncanny-Valley-Effekt, im Deutschen auch Akzeptanzlücke genannt. Er bezeichnet das eigentlich paradoxe Phänomen, dass wir künstliche Gesichter erst dann ablehnen, wenn sie einem echten zu ähnlich sehen – ein natürliches Aussehen aber eben nicht ganz erreichen. Akzeptiert werden natürliche und stark stilisierte. Die dazwischen liegen hingegen in einem "unheimlichen Tal", wenn man den Akzeptanzverlauf als Kurve darstellt.

Mitfiebern und vergessen

Die Experimente bestätigten aber auch, dass Menschen zu Comicfiguren eine starke mentale Verbindung herstellen können. "Das könnte ein Grund sein, warum Menschen gerne Comicfilme schauen. Sie fiebern mit den Charakteren mit und spüren die gleichen Emotionen wie bei echten Menschen in Spielfilmen", sagt Kißler.

Und doch gibt es einen Unterschied, wie sich zeigte: Freud und Leid von Comicfiguren wirkt nicht so lange auf uns nach wie die Emotionen echter Menschen. "Wir vergessen schnell, was die Cartoon-Figuren im Film erlebt haben. Die Erlebnisse echter Schauspieler können uns noch Tage beschäftigen, nachdem wir den Film gesehen haben", so die Forscherin.

Doch nur Objekte

Der Grund dafür sei, dass das Gehirn die Cartoon- und Real-Bilder unterschiedlich verarbeitet. Die Forscher untersuchten nämlich nicht nur die Gehirnaktivität an sich, sondern auch , in welchem Areal im Gehirn die Reaktion auftritt. "Unsere Studie belegt, dass die echten Fotos in einem Areal des visuellen Cortex verarbeitet werden, das für die Wahrnehmung von Menschen zuständig ist. Es erzeugt eine mentale Verbindung zu ihnen und speichert ihre Gesichter im Langzeitgedächtnis", sagt Kißler.

Die künstlichen Gesichter hingegen würden einen Bereich ansprechen, der für die Wahrnehmung von Objekten zuständig ist. Eine echte Identifikation stelle das Gehirn mit diesen nicht her, daher würden sie vom Gehirn auch nicht nicht langfristig abgespeichert. (red, 26. 3. 2017)