Wien – Die Statistiker der Industriestaatenorganisation OECD in Paris arbeiten derzeit auf Hochdruck. In den vergangenen Wochen haben etwa 30 der reichsten Länder der Welt an die OECD gemeldet, wie viel Geld sie im vergangenen Jahr für den Kampf gegen die globale Armut ausgegeben haben.
In Paris werden die Berechnungen kontrolliert. Mitte April wird die OECD dann ein Länderranking veröffentlichen. Dieses soll der Weltöffentlichkeit zeigen, welches Industrieland am meisten für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ausgegeben hat und wo jeder Cent zweimal umgedreht wurde. Für Österreich werden die Werte gut ausfallen, so viel ist schon sicher. Die Kurve zeigt nach oben.
Die Regierung wird auch nicht müde zu betonen, dass sie ihre Anstrengungen erhöht hat, besonders Außenminister Sebastian Kurz. In der Pressestunde am Sonntag sprach er davon, dass unter seiner Federführung nach Jahren der Kürzung eine "Trendwende" gelungen sei. Die Auslandskatastrophenhilfe sei vervierfacht worden, die "bilaterale Entwicklungszusammenarbeit" sei dabei, verdoppelt zu werden.
Tatsächlicher Anstieg
Aber was ist dran an solchen Erfolgsmeldungen? Eine Antwort darauf zu finden ist nicht ganz leicht. In Österreich ist nicht ein Ministerium für Entwicklungshilfe zuständig, und es gibt nicht die Zahl x, die alles verrät. Diverse Regierungsstellen können sich Ausgaben als Entwicklungshilfe anrechnen lassen. Neben dem Außenamt leisten also auch das Finanz-, das Innen- und das Landwirtschaftsministerium einen Beitrag zum Kampf gegen Armut.
Alle staatlichen Einrichtungen zusammen gaben 2015 rund 1,2 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe aus. Das war nach mehreren Jahren des Rückgangs und des Dahindümpelns tatsächlich ein Anstieg. 2016 wird wie erwähnt wieder etwas dazukommen. Doch die Aussagekraft dieser Gesamtzahl ist laut Experten begrenzt. Denn mit einem großen Teil der 1,2 Milliarden Euro können keine Projekte oder Programme finanziert werden. Ja es fließt nicht einmal Geld ins Ausland.
So können sich Länder Ausgaben zur Versorgung von Asylwerbern im Inland als Entwicklungshilfe anrechnen lassen. Im vergangenen Jahr machte Österreich dafür 396 Millionen Euro geltend. 2016 hat die Republik laut STANDARD-Informationen beantragt, eine halbe Milliarde Euro an Ausgaben für Asylwerber als Entwicklungshilfe einzurechnen. Mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben entfällt auf diesen Posten.
500 Millionen Flüchtlingskosten
Die gestiegenen Kosten für Flüchtlinge sind sogar hauptverantwortlich dafür, dass Österreich in den EZA-Statistiken besser wegkommt. Ein bedeutender und umstrittener Budgetbrocken sind weiters die Studienplatzkosten: Dabei macht Österreich die Kosten für Studierende aus armen Ländern an heimischen Unis geltend.
Diese Vorgehensweise ist wie bei den Flüchtlingen korrekt. Die OECD-Mitglieder legen fest, was als Entwicklungshilfe anrechenbar ist. "Das Problem ist aber, dass Österreichs Zahlungen im internationalen Vergleich sehr unausgewogen sind", sagt die Expertin für Entwicklungshilfeströme, Hedwig Riegler. Nur ein kleiner Anteil der Gelder geht für gestaltbare Projekte wirklich ins Ausland. Im Gegensatz dazu entfällt ein großer Teil der Entwicklungshilfe auf Kosten, die Österreich ohnehin tragen müsste.
Mehr Geld für die Weltbank
Freilich gibt es auch Lichtblicke. So sind die Beitragszahlungen Österreichs an internationale Organisationen wie die Weltbank zuletzt gestiegen, auch die Uno bekommt nach Rückgängen in den vergangenen Jahren wieder etwas mehr. Aber die Mehrausgaben sind moderat. Was meint Kurz, wenn er von einer Verdoppelung der bilateralen Entwicklungshilfe spricht?
Der Außenminister hat dabei die Austrian Development Agency (ADA) im Auge. Das ist jene GmbH, die im Auftrag des Außenamtes Entwicklungshilfeprojekte ausschreibt und vergibt. Zu den Schwerpunktländern der ADA zählen Länder wie Burkina Faso, Uganda oder Albanien. Zusehends in den Fokus geraten Irak, Afghanistan und Syrien, wo Programme für heimkehrende Flüchtlinge finanziert werden. Das Budget der ADA ist in den vergangenen Jahren kräftig gekürzt worden: Inflationsbereinigt hatte die ADA 2016 um ein Zehntel weniger Geld zur Verfügung als 2005.
Für heuer gibt es eine Mittelaufstockung um 15 Millionen Euro. Damit sind aber noch nicht einmal die Kürzungen aus den vergangenen Jahren abgedeckt. Erst bis 2021 soll die von Kurz erwähnte Mittelverdoppelung auf rund 150 Millionen bei der ADA abgeschlossen sein. So steht es zumindest im Bundesfinanzrahmen. Gegeben hat es tatsächlich eine Erhöhung der Mittel der Auslandskatastrophenhilfe von jährlich fünf auf 20 Millionen Euro.
Daran, dass Österreich seine eigenen EZA-Ziele nicht einhält, ändert das nichts. Zuletzt gab die Republik 0,32 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Auslandshilfe aus. Die EU hat sich verpflichtet, 0,51 Prozent zu erreichen – und zwar bis 2010. (András Szigetvari, 24.3.2017)