Totimpfstoffe können während der gesamten Schwangerschaft problemlos verabreicht werden, so Experten.

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Impfungen während der Schwangerschaft galten bisher als kontraindiziert. "Das ist vorbei", sagt Karl Zwiauer, Leiter der Kinder- und Jugendabteilung am Landesklinikum St. Pölten. Experten empfehlen werdenden Müttern etwa Impfungen gegen Influenza sowie Keuchhusten – am besten bereits vor Beginn der Schwangerschaft.

Zwiauer, Initiator des niederösterreichischen Impftages am 25. März, spricht von einem "Paradigmenwechsel in der Medizin". Neue Erkenntnisse würden zeigen, dass auch während der Schwangerschaft geimpft werden kann. "In der Schwangerschaft sollte so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig geimpft werden", betont auch Herbert Kiss, Bereichsleiter für Geburtshilfe der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH Wien. Ihm zufolge können Totimpfstoffe während der gesamten Schwangerschaft problemlos verabreicht werden, Lebendimpfstoffe sollten hingegen nicht angewendet werden. Eine Schwangerschaft verändert den Körper immunologisch, Krankheiten verlaufen dann anders bzw. intensiver als normal, führt Kiss das erhöhte Risiko vor Augen.

"Impfen ist in jedem Alter wichtig", so Zwiauer. Bei Influenza zum Beispiel hätten Schwangere ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen wie zum Beispiel einer Lungenentzündung, erklärt Dietmar Baumgartner, Vizepräsident und Impfreferent der Ärztekammer Niederösterreich. Die Erkrankung stelle dann sowohl für die Schwangere als auch für das Ungeborene eine Gefahr dar, warnte er.

Dringende Empfehlung

Baumgartner zufolge müssen Kinder in den USA gegen Masern immunisiert sein, damit sie überhaupt in den Kindergarten gehen dürfen. Auch er spricht eine "dringende Impfempfehlung" aus, nicht zuletzt für Kindergärtnerinnen. "Ich halte Impfen für eine ethische Angelegenheit", sagt Baumgartner. "Impfen betrifft jeden", stellt auch Heinz Haberfeld, Präsident der Apothekerkammer NÖ, fest.

"Impfen ist ein Akt der Solidarität", erklärt Irmgard Lechner von der Landessanitätsdirektorin Niederösterreich in Anspielung auf die "Herdenimmunität", bei der man eine so hohe Durchimpfungsrate erreicht, dass auch Menschen, die sich selbst nicht durch Impfungen schützen können, nicht gefährdet sind. Durch Impfen sei es etwa gelungen, die Welt seit 1980 pockenfrei zu machen, "bei Masern ist uns das leider noch nicht gelungen".

Dass Masern keine Kinderkrankheit sind, stellt Maria Paulke-Korinek, Abteilungsleiterin Impfwesen im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, klar. "Masern-Fälle gibt es in allen Altersgruppen." Eine Neuerung im Impfplan betrifft daher die Masern-Impfung, die Kindern ab sofort bereits ab dem vollendeten neunten Lebensmonat empfohlen wird. "Damit möglichst früh ein Masern-Schutz gegeben ist", so Paulke-Korinek. Erschreckend sei auch, dass 15 Prozent aller Masern-Fälle im Jahr 2017 bisher Menschen aus dem Gesundheitsbereich betrafen, weswegen auch sie eine dringende Impfempfehlung abgab.

Feinde in den eigenen Reihen

Die von der neuen Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) angedachte Impfpflicht für Gesundheitspersonal unterstützen die Experten nicht zu 100 Prozent. "Ich denke, dass man nicht von einer Impfpflicht sprechen sollte, sondern von einer Verpflichtung, die jeder einzelne hat, jemand anderen nicht anzustecken", sagt Zwiauer. Er findet es sinnvoll und notwendig, den Impfpass von Mitarbeitern im Gesundheitsbereich zu überprüfen und in letzter Konsequenz auch zu sagen: "Nein, sie können hier nicht arbeiten, Sie sind nicht geschützt und gefährden potenziell andere Personen." Das sogenannte Fragerecht des Arbeitgebers gibt es Paulke-Korinek zufolge bereits länger. Es erlaubt einem Arbeitgeber, nach dem Impfstatus der Mitarbeiter zu fragen. Aus Patientensicht sei eine vollständige Durchimpfungsrate beim Gesundheitspersonal mehr als wünschenswert. "Damit sie mich als Patient nicht anstecken", erläutert Kiss.

Trotzdem seien "die größten Feinde des Impfens in unseren eigenen Reihen", sagt Baumgartner mit Blick auf impfkritische Ärzte. Dabei habe "jede Impfung mehr Benefits als Risiken", stellt Zwiauer klar und sagt weiter: "Zu sagen, dass eine Impfung keine möglichen potenziellen Nebenwirkungen hat, wäre falsch." Und Kiss ergänzt: "Aber Krankheiten haben auch Nebenwirkungen." (APA, 24.3.2017)