Musikerin und Autorin Christiane Rösinger und die gelungene "Integration der prekären Künstlerin in die Arbeitswelt".


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Christiane Rösinger, "Zukunft machen wir später. Meine Deutschstunden mit Geflüchteten". € 13,40 / 218 Seiten. Fischer, Frankfurt am Main 2017

Cover: Fischer

Das Wort "sinnlos" kommt in Christiane Rösingers Texten häufig vor. Zwischen ihren gelungenen Beschreibungen eines linksliberalen Großstadtlebens – Milieu: prekärer Kunst- und Kulturbetrieb -, geht ihr hin und wieder die Puste aus, und sie setzt mit "sinnlos" einen vorläufigen, müden Schlusspunkt. "Es ist alles so sinnlos, das hält ja gar kein Mensch mehr aus. Da muss man sich doch einfach hinlegen, oder man steht erst gar nicht auf", singt Rösinger auf ihrem Album Songs of L. and Hate (2010) unter dem Titel, richtig: Sinnlos. Ihre künstlerische Arbeit treibt sie auch nicht immer an. Dieses ewige Kreativ-sein, wieder eine neue Platte, wieder ein neues Buch, dazwischen Leerlauf und Vergeblichkeitsgefühle, schreibt Rösinger in ihrem neuen Buch. Was aber gemeinhin als sinnloser, weil monotoner und fremdbestimmter, Alltag mit fixen Arbeitszeiten, Mittagspausen und Feierabenden empfunden wird, ist ihr Begehr. Da kommt der steigende Bedarf an Freiwilligen seit 2015, die Geflüchteten Deutsch beibringen, nur recht. Von diesem Unterricht erzählt die studierte Germanistin Rösinger in Zukunft machen wir später. Meine Deutschstunden mit Geflüchteten.

Nur die Gegenwart zählt

Das Angebot für Lehrwillige in Berlin stellte sich als höchst umfangreich heraus, Rösinger entschied sich schließlich für ein sehr niederschwelliges Angebot. Kostenlos, ohne Papiere – schlichtweg für alle, die wollen und kommen können. Das sind meist viele Teilnehmer, Teilnehmerinnen sind rar. "Ich heiße Christiane und komme aus Deutschland, ich heiße Jamal und komme aus Afghanistan ..." und so weiter, und immer wieder braucht es die Vorstellungsrunde. Dauernd kommen welche dazu, andere tauchen nie mehr auf. Weit in die Grammatik, gar zum Futur, wird man so wohl nie vordringen, erkennt Rösinger schnell, "es zählt nur die Gegenwart".

Während seit Herbst 2015 diverse Kunst- und Kulturprojekte Geflüchtete gerne als "subversives Subjekt" benutzen oder "Flüchtlingskitsch" produzieren, schreibt Rösinger, kann man ihr ebendas nicht vorwerfen. Zu sehr ist sie mit ihrer ehrlichen Neugierde auf Menschen und mit fordernden sozialen Situationen beschäftigt. Damit, ihre Erlebnisse in eine unmittelbare und uneitle Sprache zu verpacken, die ohne Postcolonial-Studies-Vokabular als rhetorischen Rassismusblocker auskommt. Man versteht sich sprachlich nicht, hat völlig verschiedene Lebensgeschichten und Erfahrungen – über die in so einem Kurs eigentlich niemand gerne redet. Da kommt es schon mal zu schweißtreibenden Situationen, so weit so logisch. Groß über kulturelle Differenzen zu sinnieren hilft da auch nicht – Rösinger mag es lieber pragmatisch und lebensklug. Lehrerschatzis sind auch nicht alle, der nur Russisch sprechende Baki zum Beispiel rastet schon mal aus, kann aber von Tim aus Togo beruhigt werden, der – wer hätte das gedacht – Russisch spricht. Alle staunen, ja so kann es gehen. Gesungen wird in Rösingers Klasse freilich auch, mal Blowin in The Wind, doch ein wenig Kitsch, mal Verdammt ich lieb dich für den Integrationsstreber, der sich, frisch angekommen, gleich in den deutschen Schlager verliebt. Und natürlich stellt sich Rösinger auch in ihrem neuesten Buch immer wieder die Sinnfrage. Ja, lernen die denn überhaupt ir-gend-etwas? Vielleicht nicht, aber zum Aufstehen lohnt es sich allemal – was will man mehr. (Beate Hausbichler, Album, 25.3.2017)