"Reichsbürger"-Übergriffe seien ein großes Problem, sagt Justizminister Brandstetter.

Foto: Robert Newald

Wien – Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat den geplanten "Reichsbürger"-Paragrafen verteidigt. "Freemen"-Aktivitäten einfach hinzunehmen, würde das Vertrauen in den Rechtsstaat aushöhlen, sagte er am Freitag bei der Feierlichen Amtsübergabe in der Generalprokuratur. Den Reden von Standesvertretern war zu entnehmen, dass "Reichsbürger"-Übergriffe für Justizmitarbeiter ein großes Problem sind.

Brandstetter will die effizientere strafrechtliche Verfolgung von "Staatsverweigerern" mit einem neuen Paragrafen im Strafgesetzbuch ermöglichen. Er ist angelehnt an den Tatbestand der Staatsfeindlichen Verbindung, ermöglicht aber die Bestrafung auch ohne "Organisationsdichte", jedoch mit dem Erfordernis der "tatsächlichen aktiven Handlung", trat Brandstetter dem Vorwurf des "Gesinnungsstrafrechts" entgegen.

Solche Kritik – u.a. von ÖRAK-Präsident Rupert Wolff – schon in der laufenden Begutachtung sei "ungewöhnlich", sagte Brandstetter – und konterte, dass dies "vielleicht persönlichem Profilierungsbedürfnis geschuldet" sei. Die Kollegen an den Gerichten seien dankbar, dass sich der Minister dieses Problems angenommen habe, ließ Gerhard Scheucher, Vorsitzender des Zentralausschusses, wissen. Nicht nur für Richter und Staatsanwälte, auch für Bedienstete und Gerichtsvollzieher seien "Reichsbürger"-Übergriffe ein großes Problem, war auch den Ausführungen Christian Haiders, Vorsitzender der Richter-Gewerkschafts-Sektion, zu entnehmen.

Offen für Zinkls Vorschlag

Offener zeigte sich Brandstetter gegenüber der Forderung des Richter-Präsidenten Werner Zinkl nach einer gesetzlichen Regelung zur Amtskleidung, die ein neutrales Erscheinungsbild von Richtern und Staatsanwälten sicherstellt und alle Religionssymbole aus dem Gerichtssaal verbannt. Sollte die Notwendigkeit bestehen, werde er sich dem "natürlich nicht verweigern", sagte Brandstetter – und erklärte, warum er dazu bisher "so vorsichtig" war: Er habe keine Notwendigkeit gesehen und wollte in einem solch sensiblen Bereich nicht unnötigerweise eine polarisierende Diskussion in der Justiz auslösen.

In Zeiten der heftigen Diskussion über das Bundesverwaltungsgerichts-Urteil zur dritten Piste in Wien-Schwechat samt Amtsmissbrauchs-Ermittlungen gegen zwei Richter war auch die Kritik an Urteilen ein Thema. Gegen sachliche, respektvolle Kritik der Verwaltung an der Rechtsprechung wäre nichts zu einzuwenden, merkte Brandstetter an – und deponierte auch, dass sich die Rechtsprechung von der vierten Macht, den Medien, nicht beeindrucken lassen dürfen.

Anlass der Reden war die Verabschiedung Werner Pleischls und Amtseinführung Franz Plöchls als Leiter der Generalprokuratur – fast vier Monate nach dem Wechsel. Für Pleischl gab es ein "ehrliches persönliches Dankeschön" Brandstetters, aber keinen Orden (den erhielt er schon im Vorjahr) und keine Dekrete, denn "Du bist schon ausdekoriert". Plöchl lobte der Minister als "hervorragenden Juristen", der in seiner "ruhigen, bedächtigen, aber in der Sache wenn nötig bestimmenden" Art sicherstelle, dass die Generalprokuratur weiterhin umfassend über Rechtseinheitlichkeit und die richtige Anwendung der Gesetze wacht. Dass er dies aktiv angeht, zeigte Plöchl mit den "Akzenten", die er setzen will.

Proaktiver Umgang

So will er einen"proaktiven" Umgang mit der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes forcieren: Diese soll verstärkt schon in einem frühen Stadium der Ermittlungen eingelegt werden, um allfällige Rechtsunklarheiten gleich zu klären. Als Vorsitzender des Weisungsrates – der Plöchl kraft Amtes auch ist – will er alles unternehmen, dass dieses Gremium "als völlig unabhängiges Kontrollorgan angesehen wird". Arbeit wird er hier genug haben: Die Zahl der Fälle ist weit höher als (mit rund 100) angenommen, im Vorjahr waren es 235, heuer schon 61, berichtete Plöchl.

Pleischl ging noch einmal auf die nicht wenige Kritik ein, die er für seine meist sehr offenen Worte schon als Legist im Justizministerium und Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien einstecken musste: "Man muss schon einiges aushalten, wenn man's ernst nimmt... und versucht, der guten Sache und der Gerechtigkeit zu dienen", merkte er etwa mit Blick auf die Causa Kampusch an. In der Pension will er sich der Familie, seiner Leidenschaft Fischen widmen, als Schauspieler tätig sein – und "sicherlich nicht" Beisitzer im Weisungsrat oder Rechtsschutzbeauftragter werden. (APA, 24.3.2017)