Wer den Preis für ein Haus berechnen will, muss mehr wissen als die üblichen Haus- und Grundstückspreise der Region.

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Anderthalb Jahre lang steht das Haus von Sascha Pölzl schon zum Verkauf. Das 240 Quadratmeter große Objekt in Sulz im Wienerwald befindet sich auf einem 720 Quadratmeter großen Grundstück und kostet aktuell 685.000 Euro. Doch das ist bei weitem nicht der erste Verkaufspreis, um den das Haus in den letzten Monaten zu haben war, wie Pölzl selbst erzählt. Der erste Makler habe ihm gesagt: "Um 890.000 Euro bekommen wir das Haus verkauft, das ist überhaupt kein Problem."

Den aktuellen Preis hält Pölzl nun für realistisch. Auf seiner Website erklärt er in einer einfachen Rechnung, in der er durchschnittliche Grundstücks- und Hauspreise in Sulz mit der Fläche seines Hauses und seines Grundstücks multipliziert, wie sich der Preis zusammensetzt. Er ist zuversichtlich, erzählt er, bald einen Käufer zu finden. Mittlerweile berät ihn Roswitha Adler, Maklerin in der Gemeinde Wienerwald.

Sie sagt: "Die Wunschvorstellung von Pölzl und mir ist, den aktuellen Kaufpreis auch tatsächlich zu bekommen. Ich bin skeptisch, weil ich weiß, welche Preise hier in dieser Gemeinde erzielbar sind, und glaube, dass der Preis im Kaufanbot deutlich unter dieser Summe liegen wird. Doch ich lasse mich gerne positiv überraschen." In Wahrheit, so Adler, sei ein Haus das wert, was ein Kunde dafür zu zahlen bereit ist. "Manchmal liegt ein erzielter Kaufpreis auch über den Einschätzungen der Verkäufer, oft darunter. Die unrealistischen Preisvorstellungen vieler Eigentümer rühren daher, dass sie zusammenzählen, was das Haus einst gekostet hat, was sie reingesteckt haben, und dann wollen sie auch noch Gewinn machen", so Adler. Doch so funktioniere das System heute nicht mehr.

Bauchentscheidung des Verkäufers

Das bestätigt auch Margret Funk, Sachverständige für Immobilienbewertung: "Private Verkäufer setzen einen Preis bei dem an, was sie selbst bezahlt und in ihr Haus investiert haben. An die Abnützung einer Immobilie denkt da kaum jemand."

Die Art und Weise, wie Privatpersonen auf den Preis für ihre Verkaufsimmobilie kommen, hält Nikolaus Lallitsch, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien Steiermark, für problematisch. "Das ist meistens eine Bauchentscheidung des Verkäufers. Die meisten haben Angst davor, ein Haus zu 'verschenken'". "Außerdem", so Lallitsch, "hören die Österreicher seit Jahren, dass der Immobilienmarkt brummt. Deshalb glauben sie, dass ihre Immobilien so viel wert sind – sogar jene in nicht so guten Lagen." Das bestätigt auch Funk: "Selbst wenn der Markt allgemein nach oben geht, ist das ja nicht in allen Lagen der Fall.

Da würden sich viele von Maklern auch Honig ums Maul schmieren lassen, so Lallitsch. Die Erfahrung, die Pölzl mit seinem ersten Makler gemacht hat, kann Lallitsch gut nachvollziehen. "Der Makler will das Objekt dann unbedingt haben, sich beliebt machen und macht dem Eigentümer weis, dessen Immobilie könne um viel mehr verkauft werden." Auf ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümer und Makler komme es an, glaubt Funk. "Wenn beide vernünftig miteinander reden können, dann lässt sich meist ein realistischer Verkaufspreis finden."

Und so setzen sich Preise für Einfamilienhäuser zusammen: "Zuallererst muss man sich anschauen, was in der Gegend Grund und Boden wert ist, dann muss man überlegen, wie das Grundstück angebunden ist, welche Infrastruktur es in der Nähe gibt, ob es in einer Hanglage liegt und ob die Aussicht gut ist", so Funk. Beim Gebäude selbst sind etwa das Alter, die Raumaufteilung, die Ausrichtung der Räume, die Lage der Immobilie auf dem Grundstück und die Zufahrt zum Haus ausschlaggebende Faktoren. Auch die Ausstattung spielt eine Rolle, in gebrauchten Immobilien sei Mobiliar und Einrichtung sehr schnell nicht mehr zeitgemäß, so Funk. "Als Eigentümer sieht man all diese Dinge oft gar nicht mehr, weil man sich über die Jahre daran gewöhnt hat." Wenn man etwas neu kauft, habe man einen ganz anderen Blick für die Schwächen eines Hauses.

Objekte vergleichen

"In der Immobilienbewertung gehen wir immer von den Vergleichspreisen ähnlicher Objekte aus, und dann machen wir Zu- und Abschläge", so Funk. Sie führt sehr häufig Immobilienbewertungen für private Käufer und Verkäufer durch. Wichtig sei dabei vor allem, objektiv zu bleiben. "Ratsam ist das für jeden, vor allem weil es hin und wieder auch vorkommt, dass Verkäufer zu wenig für ihr Haus verlangen."

Bei Raiffeisen Immobilien kostet eine Bewertung ab 500 Euro. Auch Lallitsch rät jedem Verkäufer, eine Immobilienbewertung durchführen zu lassen, denn, so weiß er aus Erfahrung, der beliebte Vorsatz "Probieren wir es mal mit einem hohen Preis, runtergehen können wir immer noch" habe sich als falsch erwiesen. "Damit macht man die Immobilie irgendwann kaputt." Am Ende, so Lallitsch, bleibe man auf dem Objekt sitzen. "Denn wenn ein Haus für so lange Zeit durch die Immobilienportale geistert, glauben bald alle, dass mit dem Haus irgendwas nicht stimmen kann." Dann könne man oft nicht einmal mehr den Preis erzielen, den die Immobilie objektiv wert wäre.

"Eigentümer sind leider nicht objektiv, das ist ihr Problem", so Lallitsch. Deshalb seien Angebote, die automatisierte Immobilienbewertungen nach bestimmten Kriterien erstellen, die der Eigentümer selbst einträgt, auch wenig aussagekräftig. "Jeder Verkäufer ist der Meinung, seine Immobilie sei die beste. Deshalb gehen die meisten vom Höchstwert aus. Da schließt man das wichtigste, verfälschende Merkmal eben nicht aus: den ganz subjektiven Blick des Eigentümers auf die Immobilie", so Lallitsch. Eine Bewertung sollte deshalb immer von einem unabhängigen Dritten durchgeführt werden.

Keine Milchmädchenrechnung

Den üblichen Quadratmeterpreis einer Gegend mit der vorhandenen Fläche zu multiplizieren sei ein Modell, das keinesfalls bei einer Fläche über 150 Quadratmetern funktioniere. "Ein Sachverständiger würde die ersten 150 Quadratmeter zum üblichen Preis ansetzen und alles, was darüber liegt, deutlich günstiger." Und auch dann müsse man überlegen, ob der Preis marktgängig und lageüblich ist. Ähnlich sieht das Funk: "Wer glaubt, mit so einer Milchmädchenrechnung zum angemessenen Kaufpreis zu kommen, der glaubt auch, einen Blinddarm operieren zu können."

Ganz allgemein lassen Immobilienkäufer sich in unterschiedliche Preisspannen einteilen, so die Experten. Viele suchen in einer Größenordnung von 300.000 Euro, andere geben 600.000 bis 700.000 Euro aus – inklusive aller Umbauten und Nebenkosten. Das Haus selbst dürfe in dieser Preisklasse dann nicht mehr als 450.000 oder 500.000 Euro kosten, so Funk.

Den Hauptgrund für die überzogenen Preisvorstellungen vieler Verkäufer sehen die Experten in emotionalen Befindlichkeiten. "Die Leute wollen das Leid, das sie empfinden, weil sie ihr Haus hergeben, finanziell abgegolten haben", sagt Funk schmunzelnd. Sie höre im Alltag oft Sätze wie "Hier sind meine Kinder aufgewachsen" oder "Ich habe alles mit eigenen Händen gebaut" – das wird alles emotional in den Verkauf hineingelegt. Meist sei das ein individueller Zuschlag, den Eigentümer dazu verlangen, wenn sie sich gar nicht beraten lassen. "Sie verlangen, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht, und nicht, was ein Haus tatsächlich wert ist." (Bernadette Redl, 25.3.2017)