Eine Weltkugel.

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"Money makes the world go round" singt Liza Minelli in "Cabaret".

zeitdiebemagazin

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Männlich zu wirken ist nicht unbedingt an ein viriles Erscheinungsbild geknüpft.

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James Brown: It’s a man’s world.

WildeKaiser2

Manche prophezeien ihren Untergang. Ob durch Einschlag eines Meteoriten oder durch eklatanten Anstieg der CO2-Werte, sei dahingestellt. Weltverbesserer wollen sie retten. Andere wieder gaukeln sich eine heile Welt vor. Einige träumen von der Abenteuerwelt. Es zieht sie in die Fremde. Sie packen ihre Siebensachen und machen es wie Hänschen: Hänschen klein ging allein in die weite Welt hinein. Was kostet schon die Welt! Und wenn Weltenbummler dann irgendwo am Ende der Welt ganz unerwartet jemandem aus der Heimat treffen, dann sagen sie: Die Welt ist ein Dorf. Aber ein geschäftiges. Und in der Geschäftswelt weiß man, dass Geld die Welt regiert (und nicht die Politik). Money makes the world go round. Die Welt ist nicht nur kugelrund, sie ist auch alt (Alte Welt), und sie ist neu (Neue Welt1).

Die in den 1950er-Jahren Geborenen blätterten alle zwei Wochen in der Wunderwelt, freuten sich über Bastelanleitungen und erweiterten ihr Wissen. Die Welt hat sicher mehr als sieben Wunder, und so zaubern wir eine Erste, Zweite und Dritte Welt aus der Wundertüte. Dazu eine virtuelle und viele Parallelwelten. Eines steht fest: Die Welt ist auf keinen Begriff mehr zu bringen, denn sie ist voller Widersprüche. Wir sind von ihr umgeben (Umwelt), innerlich erfüllt (Innenwelt) und lassen sie zurück, wenn wir sterben (Nachwelt). Zudem hat die Welt der Wissenschaft herausgefunden, dass unser Körper Glücksbotenstoffe ausschüttet, wenn wir sie jeden Tag mehrmals umarmen, die Welt. Egal, ob Damenwelt oder Männerwelt.

Was hat es nun mit der Welt (als Wille und Vorstellung2) auf sich? Was hat die Welt in sich?

Dem Wort ist es heute nicht mehr anzusehen, dass es ursprünglich ein Kompositum aus zwei autonomen Substantiven war: germanisch *wer "Mann, Mensch" und *aldi(z) "Menschenalter, Zeit, Leben".

In althochdeutsch weralt "Lebenszeit, Menschengeschlecht" und mittelhochdeutsch werlt ist das -r- noch vorhanden, ebenso in altenglisch w(e)orold, neuenglisch world, niederländisch wereld, schwedisch värld. Im Mittelhochdeutschen hatte werlt folgenden Bedeutungsumfang: "Zeitalter, die gesamte Schöpfung, Menschengeschlecht; weltliches, sündiges Leben im Gegensatz zum himmlischen; Erde als Wohnsitz der Menschen".

Dem ursprünglichen Wortsinn nach weist demnach der Begriff Welt auf ein hauptsächlich im Diesseits verankertes Weltbild hin. Laut mittelalterlicher Weltanschauung stellte man sich die Welt als sich zyklisch wiederholende Zeitalter vor. Und diese waren untrennbar verbunden mit dem Nacheinander von überschaubaren Zeiträumen, nämlich einem Menschenleben.

Das zweite Kompositionsglied ist ein Verbalabstraktum, das gotisch alds entspricht, und dieses leitet sich ab von gotisch/altenglisch alan "nähren, wachsen, hervorbringen". Interessanterweise ist in lateinisch altus "hoch, erhaben" (spanisch und italienisch alto "hoch(gelegen), groß gewachsen") die Grundbedeutung noch erhalten, während sich in den germanischen Sprachen die Dimensionen verschoben haben, von der Anzahl der Meter (italienisch altezza "Größe, Höhe") zur Anzahl an Jahren (Alter).

Das weltumspannende World Wide Web macht’s möglich, dass die große, weite Welt zu uns ins Wohnzimmer kommt. Und wenn der PC einmal nicht funktioniert, bricht für viele eine Welt zusammen. Ihr Laptop funktioniert auch nicht? Weltschmerz wäre in diesem Fall eine etwas übertriebene Reaktion. Weltschmerz bereichert übrigens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den englischen Wortschatz, und seit dem Brexit haben die Briten einen handfesten Grund dafür.

Der Mann im Wort Welt ist vielleicht kein Mann von Welt, aber er verdient besondere Beachtung. In den älteren germanischen Dialekten kommt das Nomen wer "Mann" durchaus noch als selbstständiges Simplex vor: gotisch waír altnordisch verr, althochdeutsch wer, altenglisch wer, alle semantisch einhellig: "Mann, (Mensch)". Im Mittelhochdeutschen ist wer nur mehr in den Zusammensetzungen werlt, werwolf (neuenglisch werewolf) und wergelt zu finden. Und diese Zusammensetzungen haben bis heute im Wortschatz überlebt, auch wenn die letzteren zwei nur sehr eingeschränkt verwendet werden.

Wergeld (auch "Manngeld") ist ein alter Rechtsterminus und war im Mittelalter eine Art Geldbuße, die ein Totschläger für die Tötung oder Körperverletzung eines Menschen als Sühne an dessen (vorrangig männliche) Blutsverwandten zu leisten hatte. Die Zahlung von Wergeld diente der Abwendung der Blutrache, die die Verwandten sonst hätten leisten müssen.

In der Mythologie ist ein Werwolf ein Mensch, der sich für gewisse Zeit in einen Wolf verwandeln kann. Wissen Sie, wo Werwölfe heute noch ihr Unwesen treiben? Im Dorf Düsterwald erwachen sie jede Nacht und haben nichts anderes im Sinne als die Zahl der braven Bürger und Bürgerinnen zu dezimieren. Keine Angst! Das ist keine Schreckensmeldung der Tageszeitung "Die Welt". Vielmehr handelt es sich um ein Gesellschaftsspiel, das seit Mitte der 1980er-Jahre auf dem Markt ist und sich in manchen Kreisen großer Beliebtheit erfreut. Oder ist das Werwolf-Spiel nicht Ihre Welt?

Über das Nomen wer stolpern wir in jeder historischen Grammatik, und zwar im Kapitel über den germanischen a-Umlaut, der besagt, dass ein indogermanisches –i– in bestimmter Lautumgebung (vor a, e und o) zu –e– gesenkt wird. Voilà! Aus indogermanisch *ṷiros wird *weraz, und nach Schwund der Endungen ist ganz klar, dass althochdeutsch wer lateinisch vir "Mann" entspricht. Nicht nur am Pay Day wird’s deutlich: It’s a man’s world.

Männlich zu wirken ist nicht unbedingt an ein viriles Erscheinungsbild geknüpft: stramme Muskeln, ausgeprägter Bizeps und Sixpack. Im Gegenteil! Was so ein Mannsbild alles an Tugenden hat! Das verkörpert nämlich lateinisch virtūs "Tüchtigkeit, Mannhaftigkeit" (neuenglisch virtue "Tugend, Vorzug", italienisch virtù "Tüchtigkeit"). Das Italienische bildet die Ableitung virtuoso "tugendhaft, tüchtig; Meister", die seit dem 18. Jahrhundert das Deutsche bereichert. Menschen, die mit vollendeter Meisterschaft zum Beispiel ein Musikinstrument beherrschen, also Weltklasse sind, sind wahre Virtuosen.

Als ich ein Teenager war, war vieles "Welt" [wöt], und das bedeutete "super, klass‘, Spitze". Es ist außer Gebrauch gekommen, dieses Wörtchen. Jetzt gibt es andere weltbewegende Wörter. Und wieder sind wir vom Hundertsten ins Tausendste gekommen und haben über Gott und die Welt geredet. Und morgen? Da heben wir die Welt aus den Angeln. (Sonja Winkler, 27.3.2017)