Staatsfeindliche Bewegungen wie "Reichsbürger", Freemen und ähnliche gewinnen an Zulauf. Derzeit seien 1.200 Anhänger der Polizei bekannt, heißt es im Innenministerium auf STANDARD-Anfrage, die Behörden gehen von rund 20.000 Sympathisanten aus. Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, bisher zu wenig gegen die Bewegungen unternommen zu haben und dafür jetzt überschießend zu handeln. Ein neuer Strafrechtsparagraf soll den Behörden mehr Möglichkeiten bieten, staatsfeindliche Bewegungen zu verfolgen (der STANDARD berichtete).

Die Gesetzesbestimmung, die sich derzeit in Begutachtung befindet, geht dem grünen Justizsprecher Albert Steinhauser allerdings zu weit. Laut Gesetzesentwurf sollen nämlich auch Personen, die nur in losem Kontakt mit Reichsbürgern stehen, bestraft werden können. "Das ist ein Einstieg ins Gesinnungsstrafrecht", meint Steinhauser.

Erinnerung an Tierschützerprozess

Selbst wenn es der Regierung heute darum gehe, nur staatsfeindliche Gruppierungen zu verfolgen, wisse niemand, was die Behörden morgen damit machten – die Bestimmung sei so schwammig formuliert, dass sie leicht missbraucht werden könne, so Steinhauser, der an den Tierschützerprozess in Wiener Neustadt erinnerte: Nach einem jahrelangen Verfahren mit umfassenden Überwachungsmaßnahmen nach dem Mafiaparagrafen waren im Mai 2011 alle 13 Tierschützer, die unter dem Verdacht der Bildung einer "kriminellen Organisation" angeklagt worden waren, freigesprochen worden. Danach war breit darüber debattiert worden, ob der Mafiaparagraf 278a zu unbestimmt formuliert sei und leicht missbraucht werden könne, um politische Aktivisten zu kriminalisieren.

Der neue Paragraf sei noch gefährlicher als der Mafiaparagraf, meint Steinhauser: Verdächtige müssen gar nicht einer bestimmten Gruppierung angehören, um verfolgt zu werden – "es reicht ein loser Zusammenschluss von zehn Personen, die sich untereinander gar nicht kennen müssen".

Grünen-Abgeordneter Karl Öllinger glaubt, dass man den Gruppierungen bereits mit der aktuellen Gesetzeslage habhaft werden könne, "man muss sie nur konsequent anwenden". Genau das sei nicht passiert. Würde man etwa die Facebook-Seiten mancher Anhänger akribisch lesen, würde man vieles finden, was etwa auch unter NS-Wiederbetätigung falle, glaubt Öllinger. Im Justizministerium weist man das zurück: Die derzeitige Rechtslage sei lückenhaft, man brauche mehr Mittel, um die Reichsbürger zu verfolgen, sagte Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) am Freitag.

Überschneidung mit Rechtsextremismus

Reichsbürger und ähnliche Bewegungen treten durch sogenannten Papierterrorismus in Erscheinung: Sie bedrohen Behördenvertreter, überhäufen Unschuldige mit Anzeigen, verweigern Steuer- und Abgabenzahlungen und terrorisieren Verwaltungsbedienstete, indem sie ihnen ausländische Inkassobüros beauftragen, fiktive Schulden in hohen Summen bei ihnen einzutreiben. In Deutschland sorgten die Reichsbürger im Oktober 2015 für Aufsehen, als einer ihrer Anhänger bei Nürnberg auf Polizisten schoss und einen Beamten tödlich verletzte. Die Gruppierungen fallen auch durch ihren Hang zu Verschwörungstheorien auf, die oft eine Nähe zu rechtsextremen Ideologien aufweisen. Auch personell gibt es teilweise Überschneidungen mit rechtsradikalen Kreisen. (Maria Sterkl, 27.3.2017)