Lukas Friesenbichler fotografierte die Paper-Art-Blüten, die Magdalena Rawicka herstellte.

Foto: Lukas Friesenbichler, Papercut: Magdalena Rawicka

Björn Schoas, Landschaftsarchitekt: "Es ist wichtig, die Blüte in der Früh zu ernten."

Foto: Privat

Alain Weissgerber, Spitzenkoch: "Bei essbaren Blüten geht es immer um den Geschmack."

Foto: Ingo Pertramer / Taubenkobel

Im Buch Kostbare Kräuterblüten präsentieren Eveline Bach und Gabriele Halper 95 Rezepte mit Blüten. 300 Seiten. 35,90 Euro, Löwenzahn Verlag, erhältlich ab 10. April.

Eine ausführliche Buchbesprechung erscheint am Osterwochenende auf derStandard.at/Kochbuch.

Löwenzahn Verlag

Bis 1938 war Essling noch eine eigenständige Gemeinde in Niederösterreich. Dass man hier schon am äußersten Rand von Wien ist, lässt nicht nur das Ortsschild vermuten. Kleine Straßen, große Felder und dazwischen ein paar Glashäuser – so präsentiert sich die fast idyllisch wirkende Gegend im 22. Wiener Gemeindebezirk.

Einen Teil davon bewohnen seit kurzem Eveline und Mario Bach. Die beiden Unternehmer, die vor allem für ihre Vielfalt an Gemüseraritäten und Kräutern bekannt sind, zogen von Hirschstetten nach Essling und haben hier neben ihrem Wohnhaus auch ein paar neue Glashäuser aufgestellt. Die Saison steht kurz bevor, und auf den Tischen stehen tausend kleine Töpfe, in denen die jungen verletzlichen Pflänzchen gehegt und gepflegt werden, ehe sie in das nächste Glashaus oder in einen Folientunnel kommen.

Gänseblümchen und Veilchen sind essbar – so wie viele andere Blüten auch.
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Essbare Blüten

Es ist quasi die Aufzuchtstation der Gemüse- und Kräuterraritäten. "Einige Tische kommen demnächst weg. Dann ist auch wieder mehr Platz", sagt Eveline Bach. Hier soll nämlich schon bald ein Verkaufsraum eingerichtet werden, in dem Kunden an drei Tagen die Woche Gemüse und Kräuter kaufen können. Zu Bachs Stammkunden gehören auch Spitzenköche, die immer wieder auf der Suche nach neuen und spannenden Komponenten für ihre Gerichte sind.

Eine davon sind essbare Blüten. Sie finden immer mehr Anhänger und verleiten Spitzenköche zu ausgefallenen Kreationen. Neu ist das Phänomen des Blütenessens freilich nicht. Im Gegenteil, Blüten in der Kulinarik haben weltweit eine lange Tradition. Safran zum Beispiel wird aus Krokusblüten gewonnen. Aus Rosen wird von jeher Rosenwasser gemacht und in der arabischen Küche oder zur Herstellung von Marzipan verwendet. Hierzulande verarbeitet man unter anderem die Holunderblüte gerne zu Sirup.

Geschmacksfrage

In der Küche werden Blüten auch der Optik wegen verwendet. War es aber lange Zeit einfach nur Effekthascherei, weiß man mittlerweile, dass die Blümchen nicht nur nett aussehen, sie haben auch geschmacklich einiges zu bieten. "Bei essbaren Blüten geht es mir immer um den Geschmack. Natürlich schaut es auch schön aus. Unsere Gäste wissen, dass die Blüten keine Deko auf dem Teller, sondern Teil des Gerichts sind. Es macht daher keinen Sinn, eine Blüte auf ein Gericht zu legen. Um etwas zu schmecken, braucht man schon eine gewisse Menge", sagt Spitzenkoch Alain Weissgerber vom Restaurant Taubenkobel im burgenländischen Schützen.

Es gibt aber Ausnahmen, wie die große bunte und fleischige Passionsblume, die – ob ihrer Schönheit und ihres Geschmacks – dem Esser durchaus ein paar Ahs und Ohs entlocken könnte. Eveline Bach hat einige optische und geschmackliche Köstlichkeiten im Sortiment. Aber nicht alles, was die Expertin anbaut, gibt sie auch aus der Hand. Wie zum Beispiel den herrlich duftenden Fruchtsalbei. Bevor sie eine der filigranen pinken Blüten abzupft, zählt sie noch einmal durch. Die Blüten sind nämlich schon für einen bekannten Gastronomen reserviert. Hier bekommen Stammkunden also anstatt Bonuspunkten spezielle Raritäten. Eine einzelne Blüte kann sie aber dann doch entbehren. "Sie müssen sie am Blütenansatz auszuzeln. Jetzt verstehen Sie vielleicht, warum die Bienen so darauf fliegen", sagt Mario Bach.

Kapuzinerkresse: Die Kapuzinerkresse blüht ab Mai und kann auch auf dem Balkon in einem Topf eingesetzt werden. Man kann sowohl die Blüte als auch Knospen und Blätter essen. Der Geschmack ist würzig und leicht scharf.
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Trifft der Tropfen des Nektars auf die Zunge, offenbart sich sein konzentrierter Geschmack von Fruchtigkeit und komplexer Süße. Schnell wird klar, dass man sehr behutsam mit diesen blühenden Köstlichkeiten umgehen muss. "Das Schöne ist, dass die Köche sehr offen sind für Neues und uns vertrauen. Natürlich muss man auch kreativ sein. Das Hornveilchen in allen Farben oder die Ringelblume auf gekrauster Petersilie wird auch irgendwann langweilig", sagt Eveline Bach.

"Ich lasse mich auch belehren. Zum Beispiel hat mich ein Spitzenkoch einmal gefragt, ob ich Begonienblüten habe. Im ersten Moment war ich überrascht, weil das für mich so trivial klang und ich diese Blumen eher mit dem Friedhof in Verbindung bringe. Doch der Geschmack ist toll. Die Blüten schmecken leicht säuerlich. Auch die Blätter kann man verwenden. Ein anderer Koch hat mir erzählt, dass er einen Auszug daraus gemacht hat."

Veilchen: Veilchen findet man im Frühling vor allem am Waldrand und auf schattigen Wiesen. Durch die leichte Süße lassen sie sich sowohl zu Sirups verarbeiten oder eignen sich als Zutat in den Salaten oder Suppen.
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Die Vielfalt an essbaren Blüten scheint nicht endend wollend. Will man essbare Blüten im eigenen Garten oder auf dem Balkon ernten, gilt es ein paar Dinge zu beachten, weiß Landschaftsarchitekt und Gartenplaner Björn Schoas. "Wichtig ist, schon beim Kauf der Blühpflanzen darauf zu achten, für welchen Standort sie geeignet sind. Lavendel zum Beispiel braucht ein sonniges, trockenes Klima und eher sandig-kargen Boden. Unter einem Baum im Schatten wird er nicht gut blühen.

Kapuzinerkresse hingegen ist da unkomplizierter. Das Um und Auf ist aber, dass man auf Qualität achtet. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte man Bioware kaufen. Wenn die Erde schlecht ist oder die Pflanze überdüngt wurde, will man das nicht essen", sagt Schoas.

Natürlich kann man auch auf Wildblüten zurückgreifen. Denn oft liegt das Gute näher, als man denkt. "Jetzt haben zum Beispiel gerade die Kirschen geblüht. Sie passen perfekt zu Gerichten mit eingelegten Kirschen und roter Rübe. Meine Lieblingsblüte ist die Akazie. Sie schmeckt köstlich und hat einen festen Biss. Auch die Hollerblüte eignet sich perfekt für die Küche", sagt Weissgerber. Die Blüten des Mohns trocknet der Spitzenkoch und serviert sie beispielsweise zu Steinpilzgerichten. "Das ist geschmacklich sehr interessant, und man ist zeitlich unabhängiger. So kann man frische Pilze im Herbst mit getrockneten Blüten aus dem Sommer servieren."

Borretsch: Borretsch wird auch Gurkenkraut genannt und hat von Mai bis Oktober Saison. Durch das Gurkenaroma in Blättern und Blüten eignet er sich für leichte Speisen wie Salate oder als Garnitur auf einem Butterbrot.
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Die richtige Zeit

Blüten sind eben Saisonware. Manche Pflanzen blühen sehr kurz, andere wieder länger. Und die Witterung spielt auch eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Denn Wind und Regen können dem ambitionierten Blütenkoch einen ordentlichen Strich durch die Rechnung machen. "Wir müssen uns nach der Natur richten. Es gibt eben nicht alles zu jeder Zeit", sagt Eveline Bach.

Aber welche Blüten eignen sich jetzt zum Essen? "Prinzipiell kann man sagen, dass man von jedem Gemüse und allen Kräutern die Blüten essen kann. Es ist natürlich Geschmackssache. Früher hat man zum Beispiel gesagt, dass man Schnittlauch nach dem Ernten abschneidet. Heute sage ich meinen Kunden, dass sie den Schnittlauch ernten, aber einen Teil stehenlassen sollen, weil er danach so toll blüht. Auch die Blüte von Rucola oder Pak Choi eignen sich perfekt zum Essen."

Sich mit dem Thema ein bisschen zu beschäftigen schadet aber nicht, ehe man wahllos bunte Blumen in den Salat mischt. "Rittersporn, Goldregen oder Engelstrompete beispielsweise enthalten Toxine und eignen sich nicht zum Verzehr", warnt Björn Schoas. Um auf der sicheren Seite zu sein, kann man sich auf bekanntere Gewächse verlassen. Deren gibt es hierzulande genug.

Wie zum Beispiel Stiefmütterchen, Tagetes oder auch Duftblattpelargonien, deren Blätter sich zu Marmelade oder Sirup verarbeiten lassen. Das Aromenspektrum der als spießige Balkonblume verschrienen Pflanze ist schier unendlich. Der Geschmack kann von Apfel über Zitrone bis hin zu Zedernholz reichen. Auch die bittersüße Wildrose, also die Hagebutte, blüht im Frühling.

Pelargonie: Die duftenden Pelargonien sind pflegeleicht, und es gibt unzählige Sorten. Vor allem die Blätter sind sehr aromatisch. Die Blüten eignen sich für Salate. Man kann sie aber auch für Süßspeisen kandieren.
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Will man die Blüten frisch servieren, sollte man sie nicht am Nachmittag ernten. "Schneide oder zupfe ich die Blüte in der Mittagshitze, wird sie es nicht einmal bis zum Kühlschrank schaffen, weil sie schnell welk ist. Will man die Blüte in der Küche verwenden, ist es wichtig, sie unbedingt in der Früh zu ernten. Dann bleibt die Blüte knackig und hält sich auch ein paar Tage im Kühlschrank", sagt Schoas. Auch Eveline Bach erntet ihre Blüten frühmorgens. Daher muss man sie auch mindestens einen Tag vorher bestellen. Gerade hat ein Wiener Eissalonbesitzer die ersten Blüten bestellt, um daraus Sorbets zu machen. Die Blütensaison ist also bereits in vollem Gange. (Alex Stranig, RONDO, 31.3.2017)

Zucchiniblüten: Jede Zucchinipflanze trägt sowohl männliche als auch weibliche Blüten. Will man später auch das Gemüse ernten, verwendet man lediglich die Männlichen. Man kann sie zum Beispiel mit Ziegenkäse füllen.
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