Ob Menschen gesünder sind, die Gemüsebrei trinken, ist wissenschaftlich noch nicht untersucht worden.

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Verena Ahne bloggt für derStandard.at regelmäßig über das Ringen um gesicherte Erkenntnisse in Medizin und Gesundheitswesen.

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Es kommt nicht oft vor, dass wir zu einer Fragestellung gar keine Studien finden. Mit einer solchen habe ich mich im letzten Blog beschäftigt. Unser Fazit zur "heilsamen" Hühnersuppe lautete "nicht untersucht" – was einige unwillige Kommentare provozierte, nach dem Motto: Wozu dann das Ganze überhaupt erwähnen?

Zugegeben: Auch ich bin manchmal frustriert, wenn nach langem Durchforsten der medizinischen Studiendatenbanken nicht mehr rauskommt, als: es gibt dazu noch nichts. Aber: Der scheinbar fade Befund hat sehr wohl Aussagekraft. Denn mit Gesundheitsbehauptungen, die nie ausreichend geprüft wurden, wird sehr viel Geld gemacht. Hier ein weiteres Beispiel – diesmal eines, das die Kassen klingeln lässt.

Toxische Schlacken entgiften

Aus irgendeinem Grund ist es ein Frühlingsthema: das Entschlacken. Die Idee ist zwar schon älter, durch den knackigen Begriff Detox und umtriebige Detox-Fans wie Gwyneth Paltrow hat das Konzept in den letzten Jahren aber enormen Aufwind bekommen.

Schlacken sind eigentlich Rückstände von Verbrennungen oder Schmelzvorgängen in der Metallverarbeitung. Da sie die Brennprozesse behindern, müssen Hoch- und andere -Öfen tatsächlich regelmäßig entschlackt werden. Angeblich sollen sich aber auch im Körper Schlacken herumtreiben. Wo genau, erklären die Schlacken-Gläubigen kaum, ebenso wenig die Frage, was eine Schlacke eigentlich sein soll.

Einerseits ist von schädlichen Stoffwechselprodukten die Rede, andererseits von Giftstoffen, die sich irgendwo einlagern – aus der Umwelt, aus dem Essen, aus der schlechten Raumluft. Manche sehen Schlacken als Produkt eines ungesunden Lebenswandels (Süßkram, Fett, Rauchen). Doch egal, wo sie und was sie sind: Damit diese "Rückstände" nicht krank machen – oder auch nur, "um den Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen" –, wird von Zeit zu Zeit, vor allem um diese Zeit, völlig gesunden Menschen das große Entschlacken, Entgiften, Detoxen empfohlen.

Unlautere Gesundheitsbehauptung

Das Thema weckt offenbar reichlich gut vermarktbare Assoziationen, wie die breit gefächerte Detox-Produktpalette zeigt. Es gibt Detox-Kräutertees genauso wie Detox-Gesichtscremes, Detox-Säfte und Detox-Diätprogramme, passend dazu Kochbücher und Ratgeber. Besonders teuer, sprich gewinnträchtig, wird die Verheißung vom gesunden Entgiften durch Spezialtabletten, -pulver und allerlei Kombinations-Vitamin-Detox-Präparate, die millionenfach vor allem über das Internet vertrieben werden.

Nur: Definiert hat den Begriff nie jemand. Das zeigte etwa eine Arbeit des deutsch-britischen Ex-Komplementärmediziners, inzwischen eher Alternativmedizin-Kritikers Edzard Ernst, der 2012 Studien zur Wirkung von Detox auswerten wollte. Doch ohne Definition kann nicht wissenschaftlich geprüft werden.

Unsere eigene neuere Studiensuche lässt das Detox-Konzept ähnlich blass aussehen. Auch zwei Spezialfragen brachten keine überzeugenden Ergebnisse: Grüne Smoothies als Detox-Wundermittel? Negativ: Die Zuschreibung mag den Verkauf von Smoothie-Fläschchen und Hochleistungsmixern ankurbeln, die es schaffen, das harte Gemüse kleinzukriegen, aber ob Menschen gesünder sind, die Gemüsebrei trinken, hat sich wissenschaftlich nie wer angesehen. Und die einzige Studie, die das Lavagesteinspulver Zeolith als Entgiftungsmittel etablieren wollte, hat diese konkrete Frage – Überraschung – gar nicht untersucht.

Juristisch unhaltbar

In dem Zusammenhang mag auch der Entscheid eines deutschen Gerichts interessieren: Es kam zu dem Schluss, die Aufschrift "Detox" sei mit EU-Recht nicht vereinbar. Warum? Mit dem Wort werde eindeutig eine Gesundheitsbehauptung aufgestellt: Das Produkt entgiftet. Mit einer Gesundheitswirkung zu werben ist laut EU-Health-Claims-Verordnung aber nur dann zulässig, wenn die Hersteller Beweise für die Wirkung erbracht haben. Die hatte der Beklagte, ein Teehersteller, nicht. Dass das Urteil keine weiteren Konsequenzen hatte, zeigt ein kurzer Blick ins Supermarktregal.

Entgiften gibt es – Entschlacken nicht

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es gibt durchaus anerkannte Verfahren der Entgiftung. Sie kommen zum Beispiel beim Alkohol- oder Drogenentzug zum Einsatz. Es bezweifelt auch niemand, dass wir Stoffe aufnehmen oder im Körper produzieren, die potenziell schaden können. Mit den meisten davon wird ein gesunder Organismus aber selbst fertig. Immerhin haben wir extra dafür Hochleistungs-Detox-Systeme eingebaut: vor allem die Nieren – funktionieren die nicht mehr, kommt es ohne Dialyse rasch zum Tod. Weitere Entgiftungsorgane: die Leber, dazu Haut, Lunge, Darm…

Ebenfalls unbestritten ist, dass manche Umweltgifte im Körper verbleiben. So können sich etwa die gesundheitsgefährlichen "langlebigen organischen Schadstoffe", zu denen DDT, Dioxine oder PCBs (polychlorierte Biphenyle) gehören, im Fettgewebe anreichern.

"Bauernfängerei"

Wofür es allerdings bis heute keine Belege gibt, ist die Behauptung, solche Gifte könnten durch die "Entschlackungs"- und Detox-Methoden der Alternativmedizin beeinflusst, gebunden und/oder tatsächlich ausgeleitet werden. Bis heute wurde nicht untersucht, ob oder wie das behauptete alternativmedizinische Entgiften überhaupt funktionieren soll. Für die einzelnen Produkte ist fast durchgängig ungeprüft, ob sie irgendwelche gesundheitlichen Vorteile bringen. Und das Konzept der Schlacken ist mit den Erkenntnissen der Wissenschaft gar nicht vereinbar.

Aus Mangel an Beweisen fällt der ganze Detox-Entgiftungs-Rummel also eher in die Kategorie "Bauernfängerei" – jedenfalls so lange, bis gut gemachte Studien das Gegenteil beweisen. (Verena Ahne, 31.3.2017)