Oans, zwoa, g'suffa!", tönt es alljährlich im Herbst durch Münchner Zelthallen. Auf "Ans, zwa" wird auch hierzulande so lang "g'soffn", bis das Lederhosentürl nicht mehr zugeht. Auf den Wiesn zu München, zu Wien sowie am Jägerball frönt man, zivilisatorisch regressiv in die Ära der Jäger und Sammler verfallend, frisch onduliert und aufgebrezelt der Kultur der Unkultur. Jedermann (mit zwei n) geht auf die Pirsch, jagt fesch und resch herausgeputzte "Haserln". "Ausg'steckt is'!" im kessen Dirndl. Man (mit einem n) schunkelt zu akustischem Sondermüll, oszillierend zwischen gequirlter Schlagerscheiße und als Brauchtum getarntem volksdümmlichem Umtata, in die von Bierdunst und Testosteron geschwängerte Nacht. Olfaktorisch ist das heiter-angeheiterte Gegröle südlich des Weißwurstäquators garniert von einer Melange aus Knoblauch, Hopfenkracherl, Stelze und Chanel No 5. Schließlich ist die urbane, in stilisierte Pseudotracht gehüllte Pracht en vogue. Verkleidung, Synonym für Niedertracht.

"Es gibt nicht gute oder schlechte, sondern nur passende oder unpassende Kleidung", meinte Stilikone Cary Grant. Auf dem Lande, wo die Tracht zu Hause ist, passt sie, keine Frage. Andernorts ist sie biedere Anbiederung, üble Faschingsverkleidung mit erhöhtem Brechreizfaktor.

Mit echter, mit ehrlicher, authentischer Tradition befasst sich Brauchtumsexperte Bert Göttl. Und das schon lange; lange bevor Parteien jeder Couleur in einer Melange aus Demagogie und Populismus nicht davor zurückschreckten, die "Heimat" im politischen Alltag zu Kleingeld zu machen und mit dem Griff in die Trickkiste Werte und Traditionen zu beschwören. Im Gegensatz dazu versteht Göttl sein Handwerk. Mit dem Selbstverständnis der Selbstverständlichkeit lebt er die "Hoagascht" – ein gemütliches Zusammenleben in trauter Umgebung.

Göttl, der seit 1995 eine Sendung selben Namens im ORF und seit 2008 bei Servus TV moderiert, präsentiert nun in bibliophiler Form Unser Jahr, unser Land. Liebevoll, fachkundig wissend, authentisch in Wort und Bild dekuvriert er in Anekdoten, Schnurren, Erinnerungen alpenländische Bräuche und Traditionen. Zudem erklärt er detailverliebt überlieferte Rituale, Brauchtümer, weltliche, kirchliche Feiertage, Wurzeln, Herkunft, Wortkunde, Tanz, Musik. Abseits volksdümmlicher Schlagerparade mit Stadl-Avancen, jenseits verkitschter Pracht in Pseudotracht. Mit Augenzwinkern. Unabhängig von Zeit und Politik. (Gregor Auenhammer, 29.3.2017)