Viel sieht man nicht. Dafür gibt es viel zu lesen. Die vom Land Niederösterreich auf der Schallaburg bei Melk aufgestellte Großausstellung "Islam" will den Besuchern eine fremde, aber doch so nahe Kultur näherbringen.

Foto: Klaus Pichler

Schallaburg – Ein Besucher, der wochentags auf die Schallaburg kommt, mag sich zwar ein wenig wundern, aber: Mit einer höheren Besucherdichte als einer zwangsweise herbeigekarrten Gymnasiumsoberstufenklasse aus den nahen niederösterreichischen Metropolen St. Pölten oder Melk ist an so einem Schultag nicht zu rechnen. Das alte Teenagermotto "Alles besser, als in der Klasse zu sitzen", es hat die Zeiten und Moden sichtlich überdauert.

Wer im sonnigen Innenhof nicht gerade Instagram-Fotos über das traurige Dasein eines noch nicht ganz volljährigen Menschen hochlädt, der sich jeden Tag von früh bis spät langweilt, wenn er nicht youtuben oder heimlich rauchen tut, lernt heuer auf der Schallaburg wieder einmal fremde Kulturen kennen.

Nach den Wikingern oder den Venezianern oder den Urgroß- und Nurgroßeltern in den 1960er- oder 1970er-Jahren ist nun bis zur Wintersperre ab November der Islam an der Reihe. Derzeit wird die prächtig restaurierte, nicht einmal mittelalterliche, sondern eher der verzierungsreichen Renaissance zugeneigte Schallaburg ihrem Ruf als einstiges lutherisches Glaubenszentrum nicht gerecht.

Sagen wir es offen: Islam, das heurige Thema der zentralen niederösterreichischen Großausstellung, mag derzeit etwas gar sperrig wirken.

Fremd und doch so nah

Für die sogenannte breite Masse, auf die so eine Renommierausstellung jährlich abzielt, wirkt sie ohnehin tendenziell nicht unbedingt dringend einladend für einen Ausflug. Bitte jetzt nichts Politisches deuteln, aber Menschen, die die Nachrichten abseits von Rapid verfolgen, braucht man das auch nicht weiters zu erklären. Das Thema des "Verstehens" eines fremden und doch so nahen Kulturkreises liegt 2017 definitiv nicht im Trend.

Mit einer eher schauarmen, dafür aber texttafellastigen Ausstellung zum Thema Islam unter besonderer Berücksichtigung Österreichs ist es für den geneigten Besucher allerdings dann auch nicht leicht, den Parcours rund um den Innenhof der Burg zu nehmen.

"Kultur der Begegnung" ist eine hübsche Umschreibung für den guten alten Toleranzbegriff im Sinne seiner ursprünglichen Bedeutung des "Ertragens". Und die Kuratorinnen Lisa Noggler-Gürtler und Maria Prantl haben sich in den unter pädagogisch wertvollen Mottos wie "Besprochen", "Beseelt" oder "Begrenzt" unterteilten Räumen der Schau auch redlich bemüht, trotz des Bilderverbots etwas für das Auge auf die Beine zu stellen – ohne dabei auf die Didaktik zu vergessen.

60 Koranfassungen, 3000 Übersetzungen der Bibel

Vom im Ausstellungskatalog pflichtgemäß beschworenen "täglichen Zusammenleben" wird allerdings danach ein sehr dünner Bindestrich im letztgenannten Wort übrig bleiben. Daran werden auch die präsentierten unterschiedlichen 60 Koranfassungen im Gegensatz zu rund 3000 Übersetzungen der Bibel nichts ändern. Ebenso wenig wie aufgestellte Flüchtlingsbetten, Schmuckstücke, ein rekonstruiertes orientalisches Wohnzimmer in Wien um 1900 oder eine an eine muslimische H&M-Filiale erinnernde Laufstrecke, auf der natürlich vor allem Kleidungsmöglichkeiten und -einschränkungen für Frauen präsentiert werden.

Die Geschichte der Kreuzzüge und Türkenbelagerungen tut schließlich das Ihre. Von der "Faszination des Orients", wie sie noch vor mittlerweile auch schon wieder über einem Jahrhundert in unseren Breiten aufgetreten ist, sind wir längst mindestens so weit entfernt wie jüngere potenzielle Besucher von der Ölkrise der 1970er-Jahre.

Die Texte zur Ausstellung sind viersprachig verfasst, auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Türkisch. Das ist gut gemeint. Ebenso gut gemeint sind in der Ausstellung aufliegende, für Schulklassen gedachte interaktive Formulare, auf denen man seine Begabung für die Abschrift der arabischen Buchstaben für die Begriffe Koran und Diwan testen kann. Der erste Begriff wird mit "Rezitation" übersetzt, der zweitgenannte steht nicht nur für "Polsterbank". Er bedeutet auch "Versammlung" oder "Schriftensammlung". Wieder etwas gelernt.

Ab 8. April startet auf der Schallaburg zusätzlich eine Ausstellung zum 500-Jahr-Jubiläum der Reformation. Sie nennt sich Freyheit durch Bildung. Das kann man immer unterschreiben. (Christian Schachinger, 30.3.2017)