Sie stehen nun zu zweit an den Schalthebeln des Rathauses: Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und sein FPÖ-Vize Mario Eustacchio.

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Graz – Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass sich Mario Eustacchio als Einstandsgeschenk ein schmuckes, den Parteifarben entsprechend blaues Modell des Murkraftwerkes für seinen Schreibtisch im Vizebürgermeister-Büro wünschen wird. Als Andenken an die Wahl 2017.

Denn das umstrittene Projekt dieser Murstaustufe ist gewissermaßen der Quell, der den FPÖ-Chef jetzt an die Schalthebel des Grazer Rathauses gespült und ihn zum Vizebürgermeister der zweitgrößten Stadt Österreichs gemacht hat. Dieses Kraftwerk hatte die ÖVP und die zweitstärkste Partei KPÖ völlig entzweit und auch eine Zusammenarbeit mit den Grünen verunmöglicht.

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Beide lehnten das Kraftwerk ab und verlangten – als Koalitionsbedingung – eine Volksbefragung zum Projekt, was Nagl mit dem Hinweis auf das Vorliegen sämtlicher höchstgerichtlicher Entscheidungen strikt ablehnte. Also blieben nach der vorgezogenen Februar-Wahl nur noch ÖVP und FPÖ übrig, die nun am Mittwoch ihren Koalitionspakt "Agenda Graz 22" in der Grazer Messe präsentierten, die wegen Drohungen gegen Bürgermeister Siegfried Nagl unter Polizeischutz stand.

Man hat Nagl schon aufgeräumter erlebt als bei der Vorstellung dieses schwarz-blauen Paktes.

Es war, das hatte er mehrmals schon im Vorfeld betont, nicht eben seine Wunschkonstellation, zu sehr lägen beide Parteien inhaltlich speziell in der Frage der Integration auseinander. Das werde sich auch mit der Koalition nicht ändern, sagte der Bürgermeister. Daher hat sich Nagl mit Eustacchio auf einen "situationselastischen" Pakt geeinigt. Bei heiklen Themen wie etwa bei der Integration darf sich Nagl im Gemeinderat andere Mehrheiten suchen und mit KPÖ, Grünen oder SPÖ zusammenarbeiten.

Koalitionstrick

Ein Koalitionstrick sozusagen, damit der Pakt bis 2022 hält. Wobei: Bei dieser Machtfülle, die sich ÖVP und FPÖ jetzt angeeignet haben – sie führen alle zentralen Ressorts -, besteht wohl auch faktisch kaum eine Notwendigkeit, den Deal bald wieder platzen zu lassen. Zumal in den nächsten Wochen und Monaten auch Aufsichtsräte und sonstige Schlüsselpositionen in den stadteigenen und stadtnahen Gesellschaften schwarz-blau eingefärbt werden und KPÖ, SPÖ und Grüne rausfliegen. "Zu zweit die Hauptverantwortung zu haben macht es um vieles leichter", sagte Mario Eustacchio. Klar, die anderen Parteien hätten mehr gewollt, "aber wir haben klar gesagt, wir übernehmen die Gesamtverantwortung. Das Gros der Arbeit liegt auf unseren Schultern."

Besonders "erleichtert" wurde die KPÖ, die zweitstärkste Partei im Rathaus. Nagl hat die Kommunisten, speziell in ihrem Kernbereich Wohnen, der sie politisch groß gemacht hatte, de facto "demontiert". KPÖ-Chefin Elke Kahr muss das Wohnressort an die FPÖ abgeben und übernimmt von den Blauen den Verkehr. "Die KPÖ bekommt nicht ihr Wunschprogramm, aber sie bekommt ein wesentliches Ressort. Auch die Bekämpfung der Feinstaubproblematik ist Sozialarbeit", sagte Nagl.

Nagl gegen Kahr

Kahr muss sich jetzt auch unter anderem um den Ausbau von Straßenbahnlinien kümmern und sich dabei wohl auch mit Bürgerinitiativen anlegen – die sie bisher unterstützte. Was in der ÖVP mit einiger Häme kommentiert wird.

Obwohl sie in den letzten Jahren eng kooperierten, ist die Gesprächsbasis zwischen ÖVP und KPÖ jedenfalls nachhaltig zerstört. Nagl äußerte sich selbst bei der Präsentation des schwarz-blauen Paktes weiter missmutig über die KPÖ. KPÖ-Chefin Elke Kahr habe bis zuletzt nicht akzeptiert, dass für das Kraftwerk alle Genehmigungen vorlägen, "sie hat sich als Vizebürgermeisterin gegen den Rechtsstaat gestellt".

Fazit des ÖVP-KPÖ-Streits: Nun muss sich Kahr fünf Jahre lang dem Thema Verkehr widmen, und Mario Eustacchio sitzt auf dem Vizebürgermeistersessel, der an sich der zweitstärksten Partei, also Kahr, zustünde. (Walter Müller, 29.3.2017)