Die Triester Fischhändler Bruno Coslovich hält eine Furchengarnele in der Hand, die er wegen des Klimawandels nun vor der eigenen Haustür fangen kann.

Foto: Georges Desrues

An einem sonnig-warmen Januartag, zeitig in der Früh, trägt Bruno Coslovich eine Plastikkiste Garnelen in seine Triester Fischhandlung und entleert sie über gestoßenes Eis. Es sind frischgefangene, prachtvolle und ockerfarbene Krustentiere mit dicken Schwänzen und braunen Streifen, die größten unter ihnen an die 20 Zentimeter lang.

"Wir nennen sie Mazzancolle, bis vor einigen Jahren hat es die bei uns überhaupt nicht gegeben", sagt der Fischhändler und verteilt die Garnelen in seiner Vitrine, "dann tauchten sie plötzlich in den Sommermonaten auf, inzwischen gibt es auch im Winter immer wieder welche."

Coslovich, die anderen Fischer und die Fischhändler im Golf von Triest vermuten, dass es sich bei den Garnelen um Einwanderer aus Sizilien und dem südlichen Mittelmeer handelt, die wegen des Klimawandels in kühlere Gewässer zogen, eben hierher, in die nördliche Adria. Und das zur Freude so mancher Kunden und Wirte.

"Ich kaufe und verarbeite hauptsächlich Fisch aus unserem Golf und der nördlichen Adria", sagt beispielsweise Marco Medda, Koch und Besitzer der Osteria Salvagente, eines Triester Gasthauses, das auf günstige Fischgerichte aus lokalem Fang setzt, "mit Garnelen habe ich hier bisher so gut wie nie gearbeitet, jetzt kauf ich sie ab und zu, aber eher im Sommer, wenn sie günstiger sind."

Zurzeit kostet ein Kilo der Krustentiere um die 30 Euro, im Sommer aber, wenn der Fang wirklich gut war, sind sie bisweilen für unter 20 Euro zu haben – ein sensationeller Preis für eine wahre Delikatesse aus lokalem Wildfang.

Im Winter nach Norden

Doch die Garnelen sind bei weitem nicht die einzigen Zuwanderer in der nördlichen Adria. Berichtet wird auch von Sepien, von Blaubarschen, von Goldmakrelen und sogar von Thunfischen, die einst allesamt während der Wintermonate nur in den wärmeren Gewässern Siziliens und Kalabriens anzutreffen waren und frühestens ab Frühling so weit nördlich auftauchten.

"Man muss schon etwas umdenken. Vor allem viele ältere unter meinen Kunden sind es gewohnt, gewisse Meeresfrüchte und Fische wie unsere Sardellen nur zu bestimmten Jahreszeiten zu kaufen. Wenn ich dieselbe Ware dann plötzlich außertourlich anbiete, sind manche von ihnen verwirrt oder werden gar misstrauisch", sagt der Fischhändler Coslovich und legt ein Kärtchen mit dem Preis und ein weiteres mit Herkunftsangabe ins Eis zwischen die Garnelen.

Zunahme an tropischen Fischen

Im südlicheren Mittelmeer ist indessen immer häufiger von der Tropikalisierung der Meere die Rede, also von einer Zunahme der Bestände an Fischen und Meeresfrüchten, die bisher nur in tropischen Gefilden anzutreffen waren. So wurden beispielsweise im Toskanischen Meer schon Schwarzrochen oder auch Papageifische aus dem Meer geholt und immer öfter auch Kugelfische gefangen.

Eingedrungen sind sie entweder durch die Meerenge von Gibraltar, oder aber, wie im Falle des Kugelfisches, durch den Suez-Kanal, dessen Breite vor zwei Jahren verdoppelt wurde, womit noch mehr neue Fischarten in größeren Mengen ins Mittelmeer drängen.

Dass sich in naher Zukunft italienische Köche wie ihre japanischen Kollegen in der Kunst der Zubereitung des hochgiftigen Kugelfisches üben werden, ist zwar im Moment noch eher unwahrscheinlich, könnte längerfristig allerdings sehr wohl der Fall sein.

Wenig Fisch auf der Insel

Auswirkungen auf die Meeresbewohner und die Essgewohnheiten der Menschen hat die Klimaerwärmung auch in noch nördlicheren Gefilden. Wie zum Beispiel in Schottland und England. Trotz ihrer Insellage sind die Briten bekanntlich keine großen Fischesser – mit einer nennenswerten Ausnahme: das im Vereinten Königreich allgegenwärtige Fish & Chips.

Erzeugt werden diese in Schottland zumeist aus Schellfisch (Haddock), während man in England den Kabeljau (Cod) bevorzugt. Beide Spezies finden sich jedoch immer seltener vor den Küsten Britanniens, weil auch sie auf Suche nach kühlerem Wasser in Richtung Skandinavien und Island abziehen.

Dafür tauchen in königlichen Gewässern seit einiger Zeit immer öfter die bislang so weit nördlich nur selten anzutreffenden Arten auf, die man eher mit Olivenöl und der Sonne des Südens in Verbindung bringt als mit dem Nebel und frittiertem Backteig Britanniens. Darunter Tintenfische, Rotbarben und Wolfsbarsche.

Körberlgeld mit Tintenfisch

Erst kürzlich berichtete die britische Tageszeitung "The Guardian", dass sich die Fischer an Schottlands Nord- und Westküste mit dem Fang von Tintenfischen inzwischen ein willkommenes Körberlgeld dazuverdienen. Und das, obwohl die in den Mittelmeerländern äußerst beliebten Kopffüßler genau wie Rotbarben und Wolfsbarsche bisher eher selten am Speiseplan der Briten stehen.

Wie dieses Beispiel – genau wie jenes der Garnelen im Golf von Triest – zeigt, müssen die Auswirkungen des Klimawandels nicht ausschließlich negativ sein. Allerdings braucht es vermutlich noch Jahre, bis sich bei allen Fischern und Verbrauchern das nötige Umdenken durchgesetzt hat. Und mindestens genauso lange, bis die EU ihr System der Fanggebiete und -quoten, das zum Schutz der Bestände gedacht ist, an die neuen Gegebenheiten anpasst.

Dem bekümmerten Konsumenten bleibt inzwischen auch beim Urlaub am Meer nur eines, nämlich sich so flexibel wie möglich zu zeigen – und sich mehr noch als bisher mit dem jahreszeitlichen Aufkommen und der Herkunft seines Fisches zu befassen.

Fatal wäre es, würde man einfach so weitermachen wie zuvor, auf Teufel komm raus die gewohnten Fischarten verlangen und aus den gewohnten Gewässern holen, obwohl sie von dort zu einem großen Teil schon abgezogen sind. (Georges Desrues, RONDO, 7.4.2017)

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