Lenín Moreno ist der Kandidat der Linksnationalen. Ob er sich gegen den Neoliberalen Guillermo Lasso durchsetzt, ist ungewiss.

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Quito/Puebla – Gespannt hatten die Ecuadorianer auf die TV-Debatte der beiden Spitzenkandidaten gewartet – doch dann wurde sie in letzter Minute gestrichen. Lenín Moreno, Präsidentschaftskandidat der regierenden Alianza País, habe in letzter Minute abgesagt, sagten die Rechten. Guillermo Lasso habe das Format nicht akzeptiert, so die Linken. Solche Streitereien waren typisch für die Kampagne. Denn im Andenland geht es nicht nur darum, wer nach zehn Jahren Nachfolger von Rafael Correa und seiner Bürgerrevolution wird, sondern um eine geopolitische Frage: Bleibt Ecuador nach der Stichwahl am Sonntag auf linkem Kurs, oder rückt es wie Argentinien nach rechts?

Auch die Frage nach Asly für Assange könnte durch den Wahlausgang beeinflusst werden.
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Moreno, vorher Vize Correas, steht für eine Fortsetzung des linksnationalistischen Kurses, der dem Land Stabilität und Wachstum gebracht hat – freilich mit einem autoritären Modell und immer schärferen Spannungen mit Umweltschützern und Indigenen, die sich gegen Rohstoffausbeutung wehrten. Im Gegensatz zum charismatischen, aber narzisstischen Correa gilt der im Rollstuhl sitzende Moreno als umgänglich.

Belastet wird er allerdings durch seinen Vize: Jorge Glas wird im Zusammenhang mit Korruptionsfällen etwa bei der Vergabe von Aufträgen der staatlichen Erdölindustrie genannt.

Belasteter Neoliberaler

Auf der anderen Seite steht der Bankier Lasso mit seiner neu gegründeten Partei "Gelegenheiten schaffen" (Creando Oportunidades). Der erklärte Bewunderer des chilenischen Neoliberalismus will mit der "Diktatur von Alianza País" Schluss machen, die Steuern senken und eine Million Arbeitsplätze schaffen. Ihn belastet aber die Verantwortung für die Finanzkrise von 1999, während deren er Wirtschaftsminister war und in der hunderttausende Sparer ihre Einlagen verloren. Offenbar unterhält der Multimillionär auch zahlreiche Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen.

Egal wer gewinnt, er steht vor großen Herausforderungen. Unter Correa erfuhr das Land einen Modernisierungsschub. Getragen vom Rohstoffboom wuchs das BIP von 46 Milliarden US-Dollar (42 Milliarden Euro) im Jahr 2007 auf 110 Milliarden Dollar (102 Milliarden Euro) im Jahr 2016. Die Armut verringerte sich um 13 Prozent, die Ausgaben für Gesundheit und Bildung stiegen drastisch an. Zwei Millionen Ecuadorianer bekommen 50 US-Dollar Sozialhilfe monatlich, die Infrastruktur wurde modernisiert. Bezahlt wurde das aber wie gehabt: mit Rohstoffabbau und dem Export.

Vom Schutz der Natur und "dem guten Leben", wie es in der Verfassung von 2008 festgeschrieben ist, sei dieses Modell weit entfernt, kritisieren linke Basisgruppen, die Correa anfangs unterstützten. Auch Korruptionsskandale wie zuletzt Schmiergeldzahlungen an die brasilianische Baufirma Odebrecht und Unterschlagungen im staatlichen Erdölkonzern kratzten am Image der Bürgerrevolution. In den vergangenen zwei Jahren musste sich der Staat außerdem hoch verschulden, um die Ausgaben zu halten, und steht vor allem bei China in der Kreide. Künftig werden Spielräume für staatliche Ausgabenpolitik daher deutlich geringer.

Gegenwind aus dem Kongress

Die bürgerliche Opposition will zwar viele von Correas Gesetzen demontieren – darunter das umstrittene Kommunikationsgesetz, das ihrer Meinung nach die Presse knebelt -, doch dafür sind qualifizierte Mehrheiten notwendig. Das ist schwierig, denn im neuen Kongress hat Alianza País beim ersten Wahlgang die absolute Mehrheit gewonnen. Doch die Zweidrittelmehrheit ging verloren, weshalb auch Moreno bei einem Sieg mehr Gegenwind droht, als das unter Correa der Fall war, der das Parlament eher als Abnick-Institution verstand. "Wir werden unruhige Jahre mit deutlich mehr Instabilität und Polarisierung als bisher erleben", sagt der Politologe Luis Verdesoto. (Sandra Weiss, 2.4.2017)