London – Die Ukraine hat vor dem High Court of Justice in London eine empfindliche Niederlage im Streit um die Staatsschulden hinnehmen müssen: Richter William Blair, älterer Bruder von Ex-Premier Tony Blair, hat dem russischen Antrag auf ein Eilverfahren um den von Moskau gewährten Milliardenkredit stattgegeben. Die politischen Argumente der ukrainischen Seite werden somit nicht gehört.
Im Kern geht es um drei Milliarden Dollar, die Russland der Ukraine noch zu Zeiten Viktor Janukowitschs für Eurobonds überwiesen hat. Die Summe war die erste Tranche eines 15-Milliarden-Kredits, den Kremlchef Wladimir Putin seinem ukrainischen Kollegen im Herbst 2013 versprochen hatte. Kurz nach dem Treffen zog Janukowitsch sein Einverständnis zum Assoziationsabkommen mit der EU zurück. Die anschließenden Proteste in Kiew führten schließlich zu seinem Sturz und dieser wiederum zum russisch-ukrainischen Antagonismus, der seinen Höhepunkt in der russischen Annexion der Krim und dem Konflikt im Donbass-Gebiet fand.
"Politisches Bestechungsgeld"
Russland verweigerte die Vergabe der weiteren zugesagten Kredite, die Ukraine die Rückzahlung der schon erhaltenen Summe, nachdem Moskau sich nicht dem Umschuldungsabkommen anschließen wollte, dass Kiew mit anderen kommerziellen Gläubigern getroffen hatte. Die neue Regierung in Kiew sprach nun von "politischem Bestechungsgeld" für Janukowitsch und empfahl dem russischen Finanzministerium, sich das Geld beim nach Russland geflüchteten Ex-Präsidenten zurückzuholen.
Stattdessen wandte sich die russische Regierung Anfang 2016 an den High Court in London, um die Rückzahlung der fälligen Summe zu erstreiten. In dem Urteilsspruch sprach Blair zwar nun von der "illegalen Okkupation der Krim und den militärischen Handlungen Russlands im Osten" der Ukraine. Als Begründung für die fehlende Rückzahlung des Kredits ließ er dies allerdings nicht gelten. "Im Grunde ist das eine Klage über die Rückzahlung von Schuldinstrumenten, gegen die es nach Ansicht des Gerichts keine begründete Verteidigung gibt. Darum wäre es falsch, unter diesen Umständen eine vollständige Verhandlung für den Fall anzuberaumen", sagte er.
Ukraine will in Berufung gehen
Das Urteil ist zwar noch keine Aufforderung an Kiew, die Schulden zu bezahlen. Aber die Formulierung macht deutlich, dass das Londoner Gericht den Fall nicht politisieren will und zu einer Entscheidung zugunsten Moskaus tendiert. Russland wertete das Ergebnis daher als eindeutigen Sieg. "Das Gericht hat die endgültige Entscheidung getroffen, die die Ukraine verpflichtet, ihre Euroanleihe-Schulden gegenüber Russland im vollen Umfang zu zahlen", teilte das Finanzministerium mit.
Die ukrainische Seite will freilich noch in Berufung gehen. Laut dem ukrainischen Politologen Alexander Kawa will Kiew damit vor allem Zeit gewinnen. "Am Ende müssen sie zahlen, einen anderen Ausweg gibt es nicht", ansonsten könne die Ukraine künftig keine Kredite mehr generieren, sagte er dem Standard. Das Geld für die Zahlung müsse von der Nationalbank oder aus dem Haushalt abgezwackt werden. Für die ohnehin angeschlagenen ukrainischen Finanzen ist das vertrackt. Der ukrainischen Führung drohe zudem ein Imageverlust, hatten sie den Wählern doch lange erklärt, die Schulden müssten nicht beglichen werden, fügte er hinzu. (André Ballin, 31.3.2017)