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Das Modell der von China gespendeten Statue sorgt bereits für Aufsehen in Trier – Karl Marx musste redimensioniert werden.
Jenes Haus, in dem der berühmteste Bürger Triers am 5. Mai 1818 auf die Welt kam, steht in der Brückenstraße 10 der 115.000-Einwohner-Stadt in Rheinland-Pfalz. Marx hat dort zwar nur die ersten 17 Jahre seines Lebens verbracht, danach ging er zum Studieren nach Bonn und Berlin, später lebte er in Paris, Brüssel und London.
Doch das barocke Gebäude in Trier ist ein Besuchermagnet. Vor allem Touristen aus China zieht es in die Geburtsstadt von Marx, der einer der geistigen Väter des Kommunismus war. "Der Besuch in Trier ist eine Art Pilgerfahrt für die Chinesen, mit der oft ein Kindheitstraum in Erfüllung geht", sagt Yong Liang, Sinologe an der Universität Trier.
Bald schon werden sie eine neue und ziemlich aufsehenerregende Sehenswürdigkeit in Trier bestaunen können. China will der Stadt zum 200. Geburtstag von Marx im kommenden Jahr eine Statue schenken, für die die Bezeichnung "Mega-Marx" nicht unpassend ist. 6,30 Meter soll sie hoch sein, inklusive Sockel. Geplanter Standort: zentral am Simeonstiftplatz, mit Blick zum Geburtshaus.
Langes Haar, Bart und philosophischer Blick
Erschaffen wird sie der chinesische Künstler Wu Weishan, der Trier schon besucht hat und dabei erklärte: "Außerhalb von China hat man, glaube ich, keine Vorstellung davon, welche Bedeutung Marx in unserem Land immer noch hat." Auf den Werbeeffekt wies er auch gleich hin: "In China werden 1,5 Milliarden Menschen mitbekommen, dass ich eine Karl-Marx-Figur schaffe. Die Stadt (Trier, Anm.) sollte sich also schon mal auf jede Menge Besuch aus meiner Heimat einstellen."
Der Künstler hat bereits 500 Statuen historischer Persönlichkeiten geschaffen und will Marx mit langem Haar, Bart und "Blick mit philosophischer Tiefe" verewigen. Große Geschenke bescheren große Freude, mag man sich in Peking gedacht haben.
Doch in Trier und anderswo in Deutschland löste man damit bei vielen Menschen das Gegenteil aus. "Die Annahme eines in propagandistischer Absicht erfolgten Geschenks dieser Diktatur ist mehr als peinlich", heißt es in einem Brief der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte an den Stadtrat von Trier. Schließlich gebe es in China durch die Inhaftierung von Dissidenten, Menschenrechtsanwälten, Journalisten und Bloggern "fortgesetzte gravierende Menschenrechtsverletzungen".
Dutzende von Diktaturen
Andere Kritiker haben auch mit der Person von Karl Marx Schwierigkeiten. "Dekadent und abstoßend" nennt die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) das Geschenk. Man möge daran denken, "dass im Namen von Karl Marx Dutzende von Diktaturen errichtet worden sind, die die Freiheit der Bürger mit Füßen getreten" und "Millionen von Menschenleben gefordert haben".
Die Linke hingegen ist erfreut, dass Kapitalismuskritiker Marx nach der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder stärker gelesen wird. "Das Werk von Marx, insbesondere seine treffende Analyse des Kapitalismus, hat Menschen auf der ganzen Welt bewegt und tut es weiterhin. Die Statue an einem prominenten Platz in der Stadt bietet dabei auch die Gelegenheit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Marx", sagt die Chefin in Trier, Katrin Werner.
Und so kam es bei der Abstimmung im Stadtrat zu einer seltenen Allianz: SPD, CDU und Linke stimmten für die Statue, FDP, Grüne und AfD waren dagegen. Den Antrag stellte übrigens die CDU, deren Baudezernent Andreas Ludwig die Statue als Ehre für seine Stadt sieht: "Dass das größte Land der Erde an die kleine Stadt Trier denkt, das ist doch toll."
150.000 Besucher aus China
Er denkt durchaus auch an die touristische Dimension: "150.000 chinesische Touristen kommen jedes Jahr nach Trier – und das können noch viel mehr werden."
Doch die Befürworter des Kolosses mussten Abstriche machen. 6,30 Meter, das erschien auch ihnen nicht durchsetzbar. Es muss also ein kleinerer Karl Marx her, was heikle Gespräche zwischen Trier und den chinesischen Schenkern zur Folge hatte.
Dieser Tage konnte dann ein Kompromiss verkündet werden. Marx schrumpft, er wird – inklusive Sockel – nur noch 5,50 Meter hoch werden. Wenn das Geschenk nächstes Jahr eintrifft, kommen allerdings auch auf die Stadt Trier Kosten zu.
Zwar übernimmt China die Kosten für die Bronzefigur, den Sockel mit Stufen und deren Natursteinverkleidung sowie den Transport von China nach Trier. Die Stadt muss allerdings das Fundament errichten und für angemessene Beleuchtung sorgen. Dass Trier demnächst in Karl-Marx-Stadt umbenannt wird, ist allerdings nur ein Aprilscherz. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.4.2017)