Berlin/Wien – Die Bundesanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit gegen einen hohen Funktionär der türkischen Religionsbehörde Diyanet eingeleitet, wie "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR am Freitag vorab berichteten. Halife Keskin soll Imame in Deutschland beauftragt haben, in deutschen Moscheen Anhänger des Predigers Fetullah Gülen auszuforschen.

Den deutschen Ermittlern liegt dem Bericht zufolge eine entsprechende Aufforderung von Diyanet sowie auch von Keskin selbst vor. Das Material habe die Karlsruher Behörde von einem Insider erhalten, hieß es. Das Verfahren gegen ihn sei bereits am 13. März eingeleitet worden. Die Bundesanwaltschaft hatte vor einigen Tagen Ermittlungen wegen Spionage bestätigt. Die Spitzel-Vorwürfe gegen von Diyanet beauftragte Imame waren bereits zuvor bekannt geworden. Zudem geht es um eine Liste mit 300 Namen angeblicher Gülen-Anhänger und -Kontaktleute, die der türkische Geheimdienst MIT im Februar an den Bundesnachrichtendienst übergeben hatte.

Der türkische Geheimdienst MIT soll dem Grünen Sicherheitssprechers Peter Pilz zufolge in den vergangenen Jahren ein weltweites Netzwerk zur Bespitzelung von Regierungskritikern aufgebaut haben. "Es gibt offenbar ein globales Netzwerk der Bespitzelung", sagte Pilz am Freitag zu Journalisten. Pilz beruft sich dabei auf Botschafts-Dokumente, die er von einer türkischen Quelle erhalten habe. Die Dokumente enthalten unter anderem Namen von mutmaßlichen Anhängern des im US-Exil lebenden Predigers Fetullah Gülen sowie von Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten sowie Kultur- und Studentenvereinen, die angeblich mit der Gülen-Bewegung in Verbindung stehen. "Da geht es um Erdogan-kritische SMS, bis hin zu Äußerungen im Kaffeehaus oder beim Friseur", sagte Pilz.

In Österreich stehen mehrere Geistliche des türkischen Islamverbandes Atib im Verdacht, im Auftrag der türkischen Regierung Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert zu haben. Auch in Deutschland und in der Schweiz ermitteln die Behörden. Die Gülen-Bewegung wird von der türkischen Regierung für den gescheiterten Putschversuch vom Juli verantwortlich gemacht. Die Beziehungen zwischen der Türkei und mehreren EU-Staaten gelten derzeit als angespannt. Die türkische Führung liegt mit mehreren europäischen Ländern im Streit, weil türkische Politiker dort auf Wahlkampfauftritten für das Verfassungsreferendum werben wollten, mit dem Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan weitreichende Machtbefugnisse bekommen soll. Einige Auftritte wurden untersagt. (APA, 31.3.2017)