Kompostwürmer machen aus Essensresten Dünger.

Foto: wurmkiste.at

In einem Hocker können sie unauffällig in der Wohnung gehalten werden.

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Wien – Bei manchen Menschen ruft der Gedanke an einen Regenwurm Ekel hervor. Nicht so bei Karin Uhl. Sie ist an diesem sonnigen Frühlingstag extra aus Graz angereist, um eine Wurmkiste zu bauen. Die Teilnahme an dem Workshop habe sie sich zu Weihnachten gewünscht, denn es sei "die coolste Art", um an die Kompostanlage zu kommen. Berührungsängste mit den künftigen Haustieren habe sie nicht, sagt sie, während sie sich daran macht, den Kistendeckel mit einem bunt bedruckten Stoff zu überziehen.

Neun weitere Teilnehmer haben sich in dem Atelier in Wien-Ottakring eingefunden, um Holzkisten zu zimmern, die zugleich als Wurmkompost und Sitzhocker verwendet werden können. Angeleitet werden sie beim Bohren, Tackern, Schleifen und Ölen von David Witzeneder.

Der angehende Agrarwissenschafter entwickelte die Idee vor zwei Jahren mit seinem Bruder, einem Tischler. In der alten Werkstatt ihres Großvaters in Oberösterreich stellen sie fertige Kisten und Selbstbausets zum Verkauf her. Daneben bieten sie Do-it-yourself-Workshops an – immer dort, wo Nachfrage besteht. Kostenpunkt: 200 Euro.

Wurmkisten gebe es seit Jahrzehnten, sagt der 27-Jährige. Ihm sei aber Multifunktionalität ein Anliegen gewesen. Vor allem Stadtbewohner ohne Garten oder Balkon, die keine Biomüllcontainer in der Nähe haben, seien interessiert. Mit der eigenen Kompostanlage durchbreche man einen ressourcenverschwendenden Kreislauf, bei dem die Gemeinden den Biomüll mit Lkws abholen und zu Erde verarbeiten, die dann wiederum nach Hause transportiert werden muss.

In Wien besteht zudem das Problem, dass es nicht überall Biotonnen gibt. Grund dafür ist laut MA 48, dass in vielen auch Müll landete, der dort nicht hingehört. Inzwischen gibt es sie nur im Wiener Grüngürtel und auf Privatgrundstücken: Aus ihrem dort einwandfreien Inhalt wird in der Lobau Blumenerde hergestellt. In den anderen Stadtvierteln kommen Lebensmittelabfälle zum Restmüll. Eine "verlorene Ressource", sagt Witzeneder.

Kein Katzenstreu

Denn Kompostwürmer verarbeiten Obstschalen, Gemüsereste, Papier, Kaffee- und Teesatz zu reichhaltigem Humus, mit dem etwa Topfpflanzen gedüngt oder angesetzt werden können. Auch die Flüssigkeit, der sogenannte Wurmtee, wird in dem Sitzhocker gesammelt: Mit Wasser verdünnt ergibt er Flüssigdünger. Katzenstreu, Knochen oder Milchprodukte bekommen den Tierchen aber nicht gut. Eierschalen sollten zerrieben werden.

1000 Kompostwürmer sind fähig, den Bioabfall von einer Person zu verarbeiten. Witzeneder gibt den Workshopteilnehmern rund 500 mit – in einem selbst gemischten Substrat aus Erde und Fasern. Insgesamt 18 Kilogramm wiegt die einsatzbereite Kiste. Die Population passt sich später der Futtermenge an. In seiner Wohngemeinschaft sei diese so stark angewachsen, dass sie den Bioabfall von sechs Personen fraß.

Regelmäßigkeit beim Füttern ist wichtig. Notfalls können die rötlichen Kompostwürmer, die zur Familie der Regenwürmer gehören, bis zu zwei Monaten ohne Nahrung auskommen. Sie verfallen dann in einen Ruhemodus. Dass sie aus der Kiste "rauswurdeln", wie es eine Teilnehmerin ausdrückt, kann nicht passieren: Sie sind lichtscheu und graben sich in die Erde, wenn sie gestört werden.

Die Luftlöcher werden trotzdem mit Vlies abgedichtet. "Zur Beruhigung", sagt Witzeneder, aber auch um Fruchtfliegen, die sich von den gärenden Essensresten angezogen fühlen, fernzuhalten. Es hilft auch, das Essen etwas einzugraben. Oder die Menge zu reduzieren. So wird es rechtzeitig zersetzt, bevor unerwünschte Insekten Wind davon bekommen. Eine häufig formulierte Sorge ist die nach dem Geruch: Ein funktionierender Wurmkompost riecht nach feuchtem Waldboden. Bei geschlossenem Deckel ist gar nichts zu riechen. Einzig, wenn etwas schief läuft, kann es zu stinken beginnen: Dann sollte man die Würmer auf Diät setzen. Oder Papierschnipsel hineingeben, um Feuchtigkeit zu entziehen.

Gefühl für richtige Pflege

Witzeneder gibt viele solcher Tipps. Denn die Wurmkiste sei ein Ökosystem: "Wenn es einmal läuft, ist es schwierig, es aus dem Gleichgewicht zu bringen." Wie bei der Pflege einer Topfpflanze bekomme man auch bei den Regenwürmern ein Gefühl dafür, was ihnen gut tut.

Beim Workshop wird inzwischen über mögliche Namen für die neuen Haustiere gewitzelt: "Sie sehen alle nach Friedhelm aus", meint eine Teilnehmerin. Ob man sie schmatzen hört, fragt jemand ironisch. "Ich tu ihnen ja weh", sagt Karin Uhl besorgt, als sie die Erde mit den Regenwürmern mit den Händen aus einem Kübel in ihre fertige Kiste schaufelt. Es wird einige Tage dauern, bis sie sich von dem Stress erholt haben und zu essen beginnen. Christa Minkin, 6.4.2017)