Peter Svaricek hat das, was man einen guten Spruch nennt.

Foto: privat

Peter Svaricek (rechts) gewann über 800 Meter österreichische Meistertitel in Serie. Einem Uraltrekord von Rudolf Klaban lief er, wie viele andere auch, vergeblich hinterher.

Foto: Herwig Grünsteidl

Wien – "Der Mann, der Sebastian Coe das Fürchten lehrte" kann sich immer noch großartig amüsieren über diesen journalistisch arg zugespitzten Zeitungstitel aus dem Jahr 1985. Das Vergnügen spiegelt sich erst in den Augen wider, dann zeigt Peter Svaricek (51) seinen breitesten Grinser. Der Wiener und der um gut zehn Jahre ältere britische Doppelolympiasieger über 1500 Meter sind damals in London anlässlich der europäischen Klubmeisterschaften nicht einmal im selben Rennen über 800 Meter gelaufen, "aber ich hätte ihn mit der Zeit, die ich eine Woche davor in Rom gelaufen bin, schlagen können".

Svaricek hat schon bis zum virtuellen Triumph über Coe einen bemerkenswerten Lauf hingelegt. Aufgewachsen ist er im 15. Wiener Hieb, in einem Gemeindebau nahe der Stadthalle als Schlüsselkind. Vater Emil, 1,94 Meter hoch, ein ehemaliger Profiboxer und in der Erziehung des Buben eher hart, aber unherzlich ("Er hat daheim aber nie zugeschlagen"), arbeitete als Chauffeur, die Mutter war Friseurin.

Der Bub schlug sich im wahrsten Sinne der Wendung durch, auch als Eishockeyspieler bei WAT 10 in der Stadthalle. "Wer haut wen mehr auf die Matratze" habe es da geheißen. Stocktechnik war weniger gefragt. Dennoch schaffte es Svaricek dank seiner Physis zum WEV und ins Jugendnationalteam.

Keine Elektrikerkarriere

Sein Ansinnen, nach dem Hauptschulabschluss eigentlich nicht arbeiten zu wollen, wurde ihm vom Vater flugs ausgeredet. Svaricek lernte ("Mir war wurscht, was") Elektriker und fiel in der Berufsschule einem Lehrer in die Hände, der im 1,84 Meter großen Burschen den Läufer erkannte. Bald war das diesbezügliche Training mehr als nur Vorbereitung auf die Eiszeit, Svaricek lief erfolgreich für den KSV der Wiener Berufsschulen. Und "mit Herz und Seele" gegen eher studentisch geprägte Konkurrenz.

Nach dem Lehrabschluss folgten zehn Jahre im Heeressport. Läuferisch zählte Svaricek zur Generation nach der erfolgreichen um Dietmar Millonig und Wolfgang Konrad. Er war sechsmal en suite Staatsmeister, über 800 Meter Militärweltmeister und im Semifinale der Hallenweltmeisterschaften 1991 zu Sevilla. Seine Bestzeit, 1:48,46 Minuten, war aller Ehren wert, lag aber doch klar unter dem Langzeitrekord von Rudolf Klaban (1:47,4 im Jahr 1964), "dem alle hinterhergelaufen sind".

Svaricek hätte besser sein können, "aber ich war so gut, wie ich war, weil ich nicht alles trainiert habe, was damals so trainiert wurde". Er knüpfte vielmehr Kontakte ins sogenannte Milieu, das ihm schon während seiner Adoleszenz in unmittelbarer Nähe des Gürtels nicht fremd gewesen war. Die Eintrittskarte waren einerseits alte Freunde aus der Gemeindebauzeit, andererseits der Boxsport. Svaricek bewies auch im Ring nicht geringes Talent, eindrücklich genug jedenfalls, um das einschlägige Publikum rundum zu beeindrucken. Als Halbschwer- bis Schwergewichtler, der Wiener Meister, Unionsmeister und Vizestaatsmeister werden konnte, brauchte er sich nicht auch noch außerhalb des Seilgevierts Respekt verschaffen.

Keine Rotlichtkarriere

Eine Rotlichtkarriere, die sich im Extremfall auf Chronikseiten von Zeitungen widergespiegelt hätte, verhinderte eine "Grundmoral, mein Gerechtigkeitssinn". Der Abstinenzler und Nichtraucher Svaricek setzte vielmehr seine Leidenschaft für Musik branchenverträglich ein. Dabei nützte der eifrige Plattensammler – er besitzt tausende Vinylscheiben – zwei Zeitphänomene: Großdiskotheken, denen sich, nun ja, erotische Tanzeinlagen zur Lockung von Publikum vermitteln ließen, und Peepshows, in denen Svaricek seine möglichen Tänzerinnen aufstöberte.

Die Wiener Entwicklung der Etablissements zur anonymen Fleischbeschau gegen kleines Geld findet Svaricek besonders interessant, auch wenn die erste einschlägige Lokalität wohl nicht in Wien, sondern 1979 in München den Betrieb aufgenommen hat. "In Städten wie Hamburg oder Amsterdam gab es zwei, drei Peepshows, in Wien zur Blüte aber 14. Vielleicht sagt das etwas über den Wiener aus."

Bis zur Jahrtausendwende nährte die Vermittlung von Go-go- und Stripshows den Gründer der noch existierenden Agentur Nachtschwärmer tadellos. Zumal Svaricek neue Trends bediente. So erinnert er sich mit einem leichten Anflug von Nostalgie an eine der ersten österreichischen Männer-Stripshows, die er im Stadtsaal von Gramatneusiedl in Szene setzte. Nacktputzservices, durch Männer und Frauen, waren ebenfalls einträglich. Protagonistinnen und Protagonisten meldeten sich zu Genüge von selbst. Besondere mediale Aufmerksamkeit war Agenturbetreiber Svaricek gewiss, "in den 90er-Jahren sind ja die ganzen Schweinderlsendungen ins Fernsehen gekommen".

Nicht nur der Niedergang der Großdiscos setzte danach dem Vater einer inzwischen erwachsenen Tochter zu. "Nacktheit ist nichts mehr Besonderes. Die Leute schauen nicht auf die Go-go-Tänzerinnen, sondern auf die Pornos, die sie sich zu Millionen übers Handy besorgen können." Ohnehin, sagt Svaricek, könne der Körper nur selten nackt das Versprechen halten, das er bekleidet gegeben hat. Neue Einnahmequellen böten sich im Fetisch- und Burlesque-Bereich, Svaricek lässt aufwendige Kostüme designen und hat, auch als rastloser Sammler einschlägigen Bildmaterials, im Eigenverlag zu diesen Themen mehrere Bücher herausgegeben.

Sport spielt nach wie vor eine große Rolle. Svaricek boxt und läuft. Das sogar so gut, dass er wieder an Rennen denkt. "In meiner Altersklasse natürlich", sagt "der Mann, der Sebastian Coe das Fürchten lehrte" und zeigt sein einnehmendes, breites Grinsen. (Sigi Lützow, 3.4.2017)