Filmmaterial ergänzt die Schau. Hier die Unterwasseraufnahme einer Osiris-Stele, gefunden in Thonis-Herakleion in der Bucht von Abukir.

Foto: Christoph Gerigk / Franck Goddio / Hilti Foundation

"Du wirst eine unendliche Anzahl von Jahren existieren", wurde dem ägyptischen Gott Osiris prophezeit. In den Jahrtausenden seither hatte er eine wechselhafte Geschichte. Seine Legende beeinflusste Religionen, wurde zum Mythos, schien schließlich versunken. Im Wortsinn, wie sich herausstellte, als man die materiellen Überreste seines Kultes unter Wasser entdeckte, an Land brachte und der Öffentlichkeit zugänglich machte. Zurzeit existiert Osiris im Museum Rietberg in Zürich.

Gezeigt werden die Funde eines seit den 1990er Jahren andauernden Forschungsprojekts vor der Küste Ägyptens. Magnetresonanzaufnahmen bestätigten, was aufgrund zufälliger Funde und Hinweise in alten Aufzeichnungen bereits vermutet wurde: dass 30 Kilometer nordöstlich von Alexandria eine weitläufige urbane Struktur liegen musste. Ein Team um den französischen Unternehmer und Archäologen Franck Goddio ortete die zwei antiken Städte Thonis und Kanopus mit Straßen, Kanälen, Hafenanlagen und Tempeln, die Isis, Osiris und anderen Göttern geweiht waren. Im neunten Jahrhundert, so die Berechnungen, sind sie nach Erdbeben und tektonischen Verschiebungen untergegangen.

Beeindruckend aufbereitet

Im Rietberg oberhalb des Zürcher Sees ist ein bedeutender Querschnitt von dem zu sehen, was die Taucherteams aus den schlammigen Untiefen (die Städte lagen im Nildelta) ans Tageslicht gebracht haben, von winzigen Grabbeigaben aus Bronze und Blei, Goldmünzen und Schöpfkellen bis zu mit Hieroglyphen bedeckten Stelen, Mumien in Sarkophagen und über fünf Meter hohen Kolossalstatuen aus rosa Granit. Mehr als 300 Objekte sind es insgesamt, viele in ausgezeichnetem Zustand; datiert sind sie vom 12. Jahrhundert v. Chr. bis zum vierten nachchristlichen. Dazu Videos, die das Team unter Wasser und ägyptische Archäologen bei der Aufarbeitung zeigen.

Es gab bereits mehrere Ausstellungen über die Funde im Mittelmeer. Neu an dieser Schau (zuvor war sie nur im Pariser Institut du monde arabe und im British Museum) sind die Ergänzung durch Objekte aus ägyptischen Museen und der Fokus auf Osiris. Der Kult um den Gott des Jenseits, der Wiedergeburt und des Nils, der bereits vor mehr als 4000 Jahren existierte, ist hier nicht nur beeindruckend nachvollziehbar, das chronologische Arrangement zeigt auch, wie er sich entwickelte.

Nachvollziehbare Öffnung

Interessant sei vor allem die mittel- und spätantike Phase, sagt der Projektleiter Axel Langer. "Hier sieht man, dass sich die beiden Städte, die ja auch Häfen waren, kosmopolitisch öffneten." Die Griechen trieben Handel mit den Ländern am Nil, aus Thonis wurde Herakleion. Die neueren Statuen, die geborgen wurden, zeigen denn auch die Einflüsse griechischer und römischer Ästhetik.

Verschmelzungen von Kulturen sind zu registrieren und geben zu Vermutungen Anlass; etwa die biografische Legende des Osiris. Lange vor den Darstellungen des Alten und Neuen Testaments heißt es hier, dass Osiris von seinem Bruder getötet wurde, dem das aber nicht gut bekam; und dass er nach seinem Tod wieder auferstand und erneut zum Herrscher wurde. Man könne also davon ausgehen, so Langer, dass der Osiris-Kult das Judentum und Christentum beeinflusste und auch die antiken Religionen: Aus Osiris wurde Dionysos/Bacchus, seine Schwester und Frau Isis wurde zu Aphrodite/Venus.

Die Begegnungen und Verschmelzungen am Nil funktionierten damals offenbar. Es gab dreisprachige Beschriftungen, Neugierige aus den Mittelmeerländern reisten nach Alexandria, da gab es lange eine kreative Hochphase. Das Museum Rietberg zeigt das auch deswegen gerne, weil es sich, so Langer, um eine ethisch saubere Sache handelt. "Alles ist in Ägypten registriert, nichts gestohlen worden." (Michael Freund aus Zürich, 3.4.2017)