Auf dem Berg Sinai ging der Gesetzgebungsprozess noch flotter. Gut, der Instanzenweg ist auch kürzer gewesen. Drei Tage lagen zwischen Ankündigung und Kodifizierung der Zehn Gebote. Im Justizministerium hatte man für die Ausarbeitung der aktuellen Strafrechtsreform – bei der es vor allem um drei Paragrafen geht – deutlich länger Zeit. Umso erstaunlicher, was dabei herausgekommen ist.

Das fängt bei recht grundsätzlichen Dingen an, die unter anderem das Oberlandesgericht Graz bemerkt hat: "Voranzustellen ist, dass Grammatik- und Satzzeichenfehler sowie Fehler bei der Textgegenüberstellung augenfällig sind", schreibt die Behörde gleich zu Beginn ihrer Stellungnahme. Ein Hinweis, unter welchem Zeitdruck die Novelle erarbeitet worden sein dürfte. Was wieder eine Erklärung für die zum Teil seltsamen Vorschläge liefern würde.

Heutzutage muss man ja dankbar sein, wenn es für die Öffentlichkeit überhaupt genügend Zeit gibt, einen neuen Gesetzesplan studieren und kommentieren zu können. Aber, wie häufig in jüngster Zeit, macht der Plan einen halbfertigen und unüberlegten Eindruck. Das hat den Hautgout der Anlassgesetzgebung. Die im Strafrecht wirklich völlig fehl am Platz ist.

"Bagatelldelikt"

Ein Beispiel bietet der "tätliche Angriff" gegen Beamte, der künftig auch für Schaffner und Lenker von öffentlichen Verkehrsmitteln gelten soll. Keine Frage, für die Betroffenen unangenehm bis gefährlich. Zwei Fragen seien allerdings erlaubt: Warum ist der Kontrolleur mehr wert als zum Beispiel die Krankenpflegerin? Auch im Gesundheitswesen wird eine erhöhte Gewaltbereitschaft der Patienten diagnostiziert.

Und zweitens: Was soll bitte schön die Vervierfachung der Strafandrohung auf bis zu zwei Jahre Haft? Ein tätlicher Angriff ist es schon, wenn man jemanden am Hals packt und wegschiebt, ohne ihn zu verletzen. Selbst das Landesgericht Ried ortet hier ein "Bagatelldelikt". Denn wenn etwas Gröberes vorfällt, kommen ohnehin existierende Delikte wie gefährliche Drohung oder Körperverletzung zum Tragen.

Noch bedenklicher ist dieser Zug zu neuen Paragrafen bei den "Staatsverweigerern". Von denen gibt es laut Schätzungen maximal 1100 in Österreich. Ein paar von ihnen standen bisher vor Gericht – und ließen den Schluss zu, dass die Mitglieder dieser Vereinigungen in einer Wahnwelt leben. Mit einem Psychiater ist ihnen sicher mehr geholfen als mit einem Staatsanwalt.

Derzeit werden diese Menschen ein Fall für die Strafjustiz, wenn sie wirklich aggressiv werden. Künftig soll es offenbar schon reichen, wenn sie ihre kruden Ansichten in einem Brief an das Finanzamt formulieren, um ihren Steuerstreik zu erklären.

Auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen mit Paragrafen zu reagieren ist zwar in Ordnung, es können ruhig auch mehr als zehn sein. Aber könnte man bitte vorher prüfen, ob die Gesetze, die man schon hat, nicht ausreichen? (Michael Möseneder, 2.4.2017)