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Wladimir Putin (links) und Alexander Lukaschenko bei ihrem Treffen in Sankt Petersburg.

Foto: Dmitri Lovetsky/AP

Am 2. April feierte man in Moskau und Minsk den "Tag der Einheit des russischen und des weißrussischen Volkes", im Zuge dessen die Präsidenten Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin sich gegenseitig beglückwünschten und einmal mehr auf die tiefe Verbundenheit der beiden Nationen hinwiesen. Ob diese Bekundungen halfen, die konkreten finanziellen Differenzen in einem aus dem Vorjahr verschleppten Gasstreit zu überwinden, sollte das Treffen der beiden Staatsoberhäupter am Montag in Sankt Petersburg zeigen.

"Gemeinsam leisten wir einen großen Beitrag zur Sicherung der sozialen Garantien und Rechtsgleichheit von Weißrussen und Russen wie auch zur Vertiefung der menschlichen Beziehungen. Das hohe Vertrauensniveau erlaubt uns, in Außenpolitik und Sicherheit eng zu kooperieren. In vergleichsweise kurzer Zeit hat uns das Projekt der Union ein gewaltiges Potenzial zur weiteren ökonomischen Entwicklung Weißrusslands und Russlands eröffnet", zitiert das weißrussische Nachrichtenportal "tut.by" Lukaschenkos Ansprache im Vorfeld des Feiertags, der an das Unterzeichnen des Vertrags "Über die Union Russlands und Weißrusslands" am 2. April 1997 erinnert. Große Teile der Rede hätten ohne weiteres auch bei der 60-Jahr-Feier der Römischen Verträge vorgetragen werden können, so sehr erinnern sie an gängigen EU-Duktus.

Ungleiche Brüder

Russland und sein kleiner westlicher Nachbar titulieren sich häufig gegenseitig als "Brüdernationen". Seit sich mit der Ukraine das dritte Land, das aus dem mittelalterlichen Reich der Kiewer Rus hervorgegangen ist, zumindest politisch aus dem "geistigen und kulturellen Verband" der Ostslawia verabschiedet hat, halten Moskau und Minsk die gemeinsamen Wurzeln ihrer Völker noch nachdrücklicher hoch. Welcher der beiden "Brüder" der dominantere ist, lässt sich jedoch schnell durch einen Vergleich der Einwohnerzahlen – 142,5 Millionen gegen 9,5 Millionen– feststellen.

Dass Lukaschenko auch zunehmend gute Kontakte mit dem Westen sucht, behagt Putin nicht, bildet die Achse Russland–Weißrussland doch das Kernstück der von ihm initiierten Eurasischen Wirtschaftsunion, der neben den beiden Ländern noch Kasachstan, Kirgisistan und Armenien angehören und die als Gegenentwurf zur Europäischen Union aufgebaut werden soll.

Verweis auf niedrige Energiepreise

Bereits seit Anfang 2016 streiten sich Minsk und Moskau über die Frage, wie viel Weißrussland für russisches Gas zahlen muss. Wie "tut.by" anführt, übersteigen die Schulden des wirtschaftlich gebeutelten Landes seit diesem Zeitpunkt 700 Millionen Dollar, alle Versuche einer Einigung verliefen bis dato im Sande. Russland besteht auf der Einhaltung des Vertrags für die Periode 2015–2016, doch Weißrussland ist der Auffassung, dass der Rückgang der weltweiten Energiepreise und der Verfall des Rubels zu einer Anpassung des Gaspreises führen sollte. Minsk möchte für 1.000 Kubikmeter russisches Gas statt den vereinbarten 132 Dollar nur 73 Dollar bezahlen. Auf diplomatischer Ebene wurde in regelmäßigen Abständen von einer baldigen Beilegung des Konflikts gesprochen, der sich jedoch noch verschärfte, als Russland mit dem 1. Jänner 2017 das Gas für seinen Nachbarn noch um 6,81 Prozent verteuerte.

Zum Vergleich: Die europäischen Staaten zahlten nach Informationen der russischen Zeitung "gazeta.ru" im vergangenem Jahr durchschnittlich 167 Dollar für 1.000 Kubikmeter russisches Gas.

Forderung nach gemeinsamem Markt

2016 fehlten Minsk bereits rund sechs Millionen Tonnen, um alle Kraftwerke des Landes zu versorgen, dieses Jahr könnten die Importe aus Russland weiter fallen. Nachdem sich am 30. März der russische Premierminister Dmitrij Medwedew mit seinem weißrussischen Pendant Andrej Kobjakow getroffen hat, der zwar de jure Regierungschef ist, de facto aber kaum Gestaltungsspielraum hat, kam am Montag Lukaschenko persönlich nach Sankt Petersburg, um mit Putin zu einer Lösung zu gelangen. Der Beginn des Treffens wurde von der Explosion in der Metro der Stadt mit Toten überschattet. Nach dem Gespräch zeigte sich der russische Staatschef der Presse gegenüber optimistisch. Er sagte, Details würden im Laufe der nächsten zehn Tage noch verhandelt, doch sei man sich grundsätzlich einig geworden. Das russische Blatt "kommersant.ru" sprach von einem "entscheidenden Entgegenkommen" Moskaus. Welche Zugeständnisse Minsk machte, sei noch unbekannt.

Lukaschenko versucht, den Kremlchef mit dem Verweis auf die gegenseitige Solidarität in einer Wirtschaftsunion unter Druck zu setzen, ist dabei aber in einer denkbar schlechten Position. Anfang März sagte er: "Wir wollen keine niedrigen Preise. Was wir wollen, ist, dass die Russische Föderation ihre Verpflichtungen erfüllt. Wenn wir eine Union bilden, brauchen wir einen gemeinsamen Markt mit gleichen Bedingungen." Konkret forderte er russisches Gas zum gleichen Preis, zu dem es innerhalb Russlands verkauft wird. Sein Pochen auf die Einhaltung der Verpflichtungen Moskaus wird jedoch durch die Tatsache konterkariert, dass er den Zollkodex der Eurasischen Union nach wie vor nicht unterzeichnet hat.

Freud und Leid der Integration

Die Differenzen entzündeten sich zwar am Gaspreis, erstrecken sich jedoch noch auf viele weitere Themenbereiche. Zum Zankapfel avancierten in den vergangenen Monaten die Visabestimmungen, die Idee gemeinsam verwalteter Außengrenzen, gemeinsame Militärübungen auf weißrussischem Staatsgebiet und die vorsichtige Annäherung Minsks an die EU, die durch das harte Durchgreifen Lukaschenkos gegen die jüngsten Proteste aber ohnehin zum Stillstand gekommen zu sein scheint. (3.4.2017)