Bild nicht mehr verfügbar.

Kollektiver Abgesang auf Europa fand im "Kunstradio" statt.

Foto: AP / Anders Wiklund

Am Anfang ist nur ein ängstlicher Atem zu hören, und dem folgt ein langgezogenes "Oh noooo!", das sich dann stets wiederholt. Der vormitternächtliche Abgesang auf Europa, den die britische Radiokünstlerin Lucinda Guy am Sonntag um 23 Uhr im Ö1-Kunstradio – Radiokunst live performt hat, ist vielleicht schon das anrührend Schönste, was die Brexit-Entscheidung der Briten zu bieten hat.

Man möchte mitsingen

A Song for Europe hieß diese ungewöhnliche Stunde Livestream, eine Art Radiomeditation für – oder besser gegen – den chaotischen Zustand der Welt. Wenn Lucinda Guy singt, sind es Töne zwischen Singen und Weinen. Oh yes! Diese Loops in Echtzeit mäandern von zögerlichem Wehklagen hin zu lautstarkem Brummen, das sich anhört wie Stammesgesänge in Trance: Laute wie aus einem schlechten Traum, aus dem es kein Erwachen gibt. Zu hören schmerzt mitunter, aber es lullt auch ein. Diese vielleicht hilflose Trauerklage erhebt sich gegen etwas Unausweichliches, aber Lucinda Guy findet mehr und mehr Stimme(n), findet Worte – die Sinn machen. Man selbst möchte mitsingen, wie früher als Kind, und dieser schöneren Idee von Europa nachweinen. Gemeinsam mit dieser Britin, die im südlichen Devon selbst den freien Sender Soundart Radio mitgegründet hat, wo dieser Song für Europa Sonntagnacht auch zu hören war.

Wenn auch nicht mehr live: Diesen Abgesang mitzusingen, ist noch immer möglich – auf oe1.orf.at. Und wie schon Kunstradio-Moderatorin Anna Soucek nach ihrer Einmoderation in dieses Experiment gesagt hat: Enjoy! Genießen Sie dieses Radioerlebnis. Besingen Sie Europa. Auch wenn die Briten bald nicht mehr dabei sind. (Mia Eidlhuber, 3.4.2017)