Mehrere Schichten von Römerbauten werden in Bregenz erforscht.

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Victoria! Funde wie dieser Bronzeflügel sorgen für Begeisterung.

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Die Umrisse des römischen Forums. Gelb markiert ist das Grabungsareal.

Foto: Karl Forster

Bregenz – Das politische und wirtschaftliche Zentrum von Bregenz lag vor 2.000 Jahren nicht am See, sondern eine Etage höher, auf dem Ölrain. Wie stattlich dieses Zentrum war, zeigen jüngste Ausgrabungen, die einige Überraschungen brachten.

Auf einem 470 Quadratmeter großen Privatgrundstück im Bregenzer Villenviertel Ölrain wird seit September eine kleine Ecke des Forums der römischen Siedlung Brigantium ausgegraben. Mehr als 5.000 Quadratmeter war der Markt- und Debattierplatz groß. Archäologin Maria Bader, Chefin der auf archäologische Dienstleitungen spezialisierten Firma Talpa, spricht von "pompejischem Ausmaß". Sie gräbt seit September in Etappen mit einem sechsköpfigen Team und in Zusammenarbeit mit der Universität Köln.

Die Existenz des Forums ist seit 1889 bekannt, als der Fabrikant und Hobbyarchäologe Samuel Jenny die Umrisse des Marktplatzes entdeckt und ausgegraben hatte. Dennoch wurden erst jetzt wissenschaftlich fundierte Grabungen durchgeführt. Da das Grundstück bebaut wird, müssen die Bodendenkmäler dokumentiert werden. "Jenny hat sehr gute Pionierarbeit geleistet", zollt Bader dem Fabrikanten Respekt, "er hat den ganzen Ölrain systematisch abgearbeitet. Die Grundrisse festgelegt, die Funktionen geklärt."

Das Forum wurde in den 70er-Jahren nach Christus errichtet und bestand bis ins auslaufende zweite Jahrhundert. Die Größe lässt darauf schließen, dass Brigantium eine römische Stadt war, sagt Bader, "Beweise für das Stadtrecht fehlen aber noch".

Älteste Römerbauten gefunden

Die Aufgabe ihres Teams sei nun, nachdem das kleine Stück des riesigen Forums minutiös dokumentiert wurde, die nächsten Schichten zu erkunden. Auf zwei Steinbauten, "repräsentative Wohngebäude" und eine Straße ist man bereits gestoßen. Sie werden auf die Zeit zwischen 40 und 70 nach Christus datiert und "stellen die ältesten bekannten Steingebäude aus der Römerzeit in Bregenz dar", so Bader.

Teile der Hausmauern wurden für den Bau des Forums wiederverwendet. Privat genutzte Grundstücke wurden in den öffentlichen Sektor übernommen, was an den Mauern sehr gut nachvollziehbar sei, betont Bader. Ihr Resümee: "Komplexität und Dichte, die gute Erhaltung und Mehrphasigkeit der Befunde übertreffen das Erwartete bei weitem."

Die dritte Siedlungsschicht in dreieinhalb Meter Tiefe wird in den nächsten drei Wochen erforscht, man vermutet hier Reste von Holzbauten aus dem ersten Jahrhundert. Bader spricht von einem Lagervicus, einer privaten Ansiedlung, die sich um das römische Militärlager entwickelt hatte. Nachweise für das Lager wurden bereits in Grabungen zwischen den Jahren 2009 und 2012 erbracht.

Geldquellen für Römisches Forum gesucht

Nach den aktuellen Grabungen wird es diesen Teil von Brigantium nur noch auf Datenträgern geben. Das Grundstück wird überbaut, eine Tiefgarage wird die römischen Mauern zerstören. Zeugnis von der Siedlung unter dem neuen Haus werden zahlreiche Kleinfunde geben. Außer Münzen, Scherben von Gefäßen aus Terra Sigillata, behauenen (Grab-)Steinen, einer Lanzenspitze und einem Ring wurde ein bestens erhaltener Bronzeflügel gefunden. Er dürfte eine Statue der Siegesgöttin Victoria geschmückt haben.

Ob der größte Teil des Forums, der sich unter noch unbebauten Wiesen und Gärten befindet, gesichert werden kann, ist ungewiss. Da der Stadt die finanziellen Mittel zum Ankauf fehlen, müssten Bund und Land die Erhaltung des archäologischen Denkmals finanzieren. Am Dienstag werden Bürgermeister Markus Linhart (ÖVP) und Kulturbeamte des Landes die Grabungsstätte besichtigen.

Nicht alle sind über archäologische Schätze glücklich. Denn Notgrabungen, die bei Bebauungen in Fundgebieten Pflicht sind, müssen vom Grundstücksbesitzer vorfinanziert werden. Auf Antrag refundiert das Bundesdenkmalamt einen Teil der Kosten. Seit wenigen Jahren trägt auch das Land Vorarlberg zur Kostenerstattung bei. Jährlich fließen rund 50.000 Euro aus dem Landeskulturbudget in Grabungsförderungen. Beiträge leisten auch – je nach Geschichtsbewusstsein und Finanzkraft – einzelne Standortgemeinden. Die konkrete Grabung kostete in der ersten Phase 150.000 Euro, ein Drittel trägt der private Bauherr.

Meldepflicht für Grundbesitzer

Fundgebiete sind in Vorarlberg über das geografische Informationssystem Vogis einsehbar. Wer in einem solchen Gebiet bauen will, muss im Sinne des Verursacherprinzips einen Ausgleich für die Zerstörung schaffen – sprich, eine Grabung und damit Dokumentation zulassen und mitfinanzieren.

Seit 2013 hat das Bundesdenkmalamt einen Archäologen in Vorarlberg. Andreas Picker ist für die Überwachung der Fundgebiete, die Abwicklung der Grabungen und Anträge zuständig. "Seit der Sheriff in der Stadt ist", sei die Moral der Grundbesitzer gestiegen, scherzt Picker. Baustellen werden pflichtgemäß angezeigt. Davor wurden Funde und Baumaßnahmen dem Bundesdenkmalamt lieber nicht gemeldet. (Jutta Berger, 4.4.2017)