Passend zur Osterzeit möchte ich an die Stadt-Ei-Parabel von Cedric Price erinnern. Price, 2003 verstorbener britischer Architekt des nicht realisierten, aber ikonischen Entwurfs für einen Fun-Palast, schrieb eine Reihe an prägnanten Texten über Architektur und Urbanistik. 1982 vergleicht er in "The City as an Egg" die europäische Stadtentwicklung der letzten Jahrhunderte mit den unterschiedlichen Aggregatzuständen von Eiern.

Die mittelalterliche Stadt, so Price, war mit einem gekochten Ei zu vergleichen, umgeben von einer Stadtmauer (die Schale), in sich eine durchgehende Konsistenz (hard boiled egg). Die Industriestadt des 18. und 19. Jahrhunderts glich einem Spiegelei (sunny side up), der Kern fließt an den Rändern aus, Industrie (und Eiweiß) siedelt sich rund um den Kern (den Dotter) an. Die Stadtmauer ist schon porös, aber noch werden Kern und Dotter gehalten.

Am Ende des 20. Jahrhunderts ist in der Stadt kein Zentrum mehr ausmachbar, die Grenzen zwischen einzelnen Städten und der Landschaft verschwimmen und dieses Stadt-Land-Gemenge gleicht einem scrambled egg, oder – wie man in Österreich sagt – einer Eierspeis'.

Nicht mehr Spiegelei-, sondern Eierspeis-Form nehmen moderne Städte an.
Foto: istockphoto/ryzhkov

Der labile Zustand von Stadt und Land

Seit mehreren Jahrzehnten befinden wir uns nun auch in Österreich in der Eierspeis, und ständig wird an ihr weitergerührt. Eierspeis ist Agglomeration ist Ballungsraum, sie breitet sich unaufhaltsam aus, man muss nur in die verschiedenen Richtungen von Wien hinausfahren, und schon taucht man in sie ein.

Theoretisch setzt sich die Stadtplanung schon lange mit dem Verwachsen von Stadt und Land auseinander. Suburbanisierung, Peripherie, periurbaner Raum, Urban Sprawl, Netzstadt, Patchworkstadt, Postsuburbia, Ruralisierung, Zwischenstadt und Randstadt – es sind viele Begriffe, die den labilen Zustand zwischen Stadt und Land beschreiben, die gebauten Modelle, die darauf reagieren, fehlen jedoch.

Einfamilienhäuser verbieten? Verbote haben noch selten etwas genutzt. Dort verdichten, wo die Bebauung ausläuft? Dann sollten es schon echte Alternativen sein zu dem, was sonst so angeboten wird an Reihenhäusern oder Wohnblöcken mit kleinen Balkonen und schlossähnlichen Konfigurationen. 

Stadtmodell Eierspeis

Man müsste die Stadt von der Eierspeis aus denken und sie zur Grundlage für ein neues Modell machen, denn das hartgekochte Ei werden wir nicht mehr bekommen. Aber Cedric Price schrieb "The City as an Egg" ja bereits vor mehr als drei Jahrzehnten, da ist heute wahrscheinlich auch die Eierspeis überholt.

Welche Konsistenz werden Stadt und Ei also zukünftig einnehmen? Was ist die Steigerung einer Eierspeis? Ein mit biochemischen Prozessen und Stickstoff homogenisiertes Eiprodukt? Eine vegane Molekular-Eierspeis? Und wofür steht überhaupt das bemalte Osterei? Für die Spaßstadt à la Disneyland? Für die Retrostadt im New Urbanism?

Was Cedric Price, der auf Fotos meist schmunzelnd seine Zigarre hält, uns auch gelehrt hat, ist, dass das Nachdenken über Stadtentwicklung durchaus Spaß machen kann, auch wenn die Lage von Stadt und Land ernst ist. (Sabine Pollak, 11.4.2017)