Bewuchsmerkmale in Getreidefeldern im Burgenland. Neben runden Gräben von Grabhügeln der Hallstattkultur sind auch rechteckige Grabumfassungen von jüngeren, keltischen Gräbern erkennbar.

Foto: Luftbildarchiv, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien

Römischer Gutshof im mittleren Burgenland. Man erkennt einzelne Räume und in manchen von ihnen unterschiedliche Bodenbeläge als helle oder dunkle Flächen.

Foto: Luftbildarchiv, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien

Infrarotaufnahme von Wien im Vorbeiflug, diesmal nicht für Prospektionszwecke. Bei den Bäumen im Vordergrund sieht man die Unterschiede in der Reflexion im Infrarotbereich.

Foto: Martin Fera/Luftbildarchiv, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien

Michael Doneus' fachlicher Blick auf die vorbeiziehende Landschaft aus dem Fenster der Cessna 182.

Foto: Martin Fera

Prinzip der Bearbeitung von Laserscannerdaten: Streifenförmig nimmt das Flugzeug die Oberfläche mit einem Laserscanner auf, durch Filterungen und spezielle Visualisierungen erhalten wir einen Blick auf die im Wald verborgenen Grabhügel und die Wälle der dazugehörigen Siedlung in Purbach, Burgenland.

Foto: Martin Fera

"Foxtrott-Hotel-Papa-Lima, Start nach eigenem Ermessen", hören wir über die Kopfhörer unserer Headsets. Mit Vollgas beschleunigt die Maschine, hebt von der Rollbahn ab und schwebt – nicht der Sonne, sondern unserem ersten Zielgebiet im nördlichen Burgenland entgegen. Es ist ein weiterer luftbildarchäologischer Flug, bei dem wir, ein Team der Universität Wien, aus der Luft Ausschau nach archäologischen Fundstellen halten.

Der Blick von oben ermöglicht ein besseres Verständnis der Strukturen der darunterliegenden Landschaft, das wissen wir auch in der Archäologie seit langem. Seit Jahrzehnten hat sich die Luftbildarchäologie als erfolgreiche und effektive Methode etabliert, mit der wir in großen Landstrichen Überreste vergangener Epochen finden können. Die berühmtesten Aufnahmen sind wohl die ersten publizierten Bilder von Stonehenge, die P. H. Sharpe 1906 aus einem Ballon aufnahm. In Österreich reichen die Anfänge in das Jahr 1933 zurück, als Friedrich Hautmann Denkmäler im Burgenland mit einem Kleinflugzeug abflog und erste Fotos von prähistorischen Fundstellen anfertigte. Seit den 1970er-Jahren widmet sich das Luftbildarchiv des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie professionell dieser Aufgabe, seit den 1990er-Jahren geleitet von Michael Doneus.

Jahrtausendealte Kulturlandschaft

Die Landschaft des Eisenstädter Beckens zieht unter uns vorbei, und in den reifenden Getreidefeldern zeichnen sich erste Spuren der Vergangenheit ab. Die meisten sind an der Oberfläche längst nicht mehr erhalten. Erst aus der Vogelperspektive zeigen sich für das geschulte Auge charakteristische Muster. Sie deuten auf das Vorhandensein von im Laufe der Jahrhunderte eingeebneten Siedlungen, Gräbern, Straßen und Feldstrukturen und zeigen sich in unseren Breiten am häufigsten als Bewuchsmerkmale im Getreide.

Durch die Veränderung im Untergrund herrschen für die Pflanzen darüber unterschiedliche Wuchsbedingungen. Im Falle von darunter verborgenen Mauern eines römischen Gutshofs erscheinen die Unterschiede im Getreide als sogenannte negative Merkmale. Hier steht weniger Feuchtigkeit zur Verfügung, und der Wachstumsprozess wird gehemmt beziehungsweise die Reifung beschleunigt. Anders bei positiven Merkmalen, wo die humoseren Graben- und Grubenfüllungen von Befestigungsanlagen oder eingetieften Hausbereichen mehr Wasser und Nährstoffe speichern und damit das Getreide höher wachsen und später reifen lassen.

Kreisrunde Gräben im Getreidefeld

"Können wir hier noch einmal kreisen? Die dunkelgrünen Flecken im Acker neben dem Autobahnkreuz sehen verdächtig aus." Unser Pilot schwenkt die Maschine nach rechts, und in Schräglage umkreisen wir das Feld. Ich habe bereits das Seitenfenster geöffnet, damit wir einen besseren Blick auf die vermeintliche Fundstelle haben. Die Spiegelreflexkameras sind bereit, und tatsächlich, grün im reifenden gelben Getreidefeld zeichnen sich kreisrunde Gräben ab. Es handelt sich wohl um einen Friedhof, der aus Grabhügeln besteht, wie sie typischerweise in der älteren Eisenzeit angelegt worden sind.

Neue Techniken und neue Methoden

Natürlich hat sich am fliegenden Prospektieren seit der Pionierzeit auch einiges verändert. Im Gegensatz zu den Glasplatten und Mittelformatdias früherer Zeiten setzen wir heute modernste Geräte für unsere Zwecke ein. Während ich mit einer Spiegelreflexkamera mit digitalem Kleinbildsensor fotografiere, benutzt Kollege Ralf Totschnik einen modifizierten Fotoapparat. Durch Entfernen des Infrarotsperrfilters vor dem Sensor zeichnet er in einem viel breiteren Lichtspektrum Daten auf, als das menschliche Auge in der Lage ist zu erfassen.

Damit können wir uns für unsere Zwecke einer Technik aus der Fernerkundung bedienen, die darauf beruht, dass die Chlorophyllkonzentration in den Pflanzen bei der Reifung abnimmt und dies im Infrarotbereich besonders deutlich erkennbar ist. Wenn meine Kollegin Ulrike Fornwagner die Daten nach unserer Rückkehr am Luftbildarchiv weiter verarbeitet, kann es schon sein, dass der eine oder andere Teil des römischen Gutshofs noch deutlicher zu erkennen sein wird, als er es für uns aus dem Flugzeug war.

Beide Kameras sind zudem mit einem eigens entwickelten Positionierungssystem ausgestattet, das nicht nur über Satelliten die Position der Kamera aufzeichnet, sondern auch deren Ausrichtung beim Auslösen. Das ist besonders hilfreich, da wir dadurch in unserer räumlichen Datenbank auf Knopfdruck die Aufnahmen an die richtige Position projiziert angezeigt bekommen können.

Neue Blicke auf Quellen

Als Archäologe im 21. Jahrhundert kann man sich schon in einer recht glücklichen Lage sehen. Die rasante Entwicklung im technischen Bereich ermöglicht es, neue Blicke auf unsere Quellen, die materielle Hinterlassenschaft der Menschheit, zu werfen. Neue Ergebnisse sind damit vorprogrammiert.

Neben unseren systematischen Befliegungen können wir auch auf Senkrechtaufnahmen zurückgreifen, die von speziell ausgerüsteten Flugzeugen mit hochauflösenden Luftbildkameras angefertigt wurden, aber auch von Satelliten stammen können. Sie bieten einige Vorteile, so stehen Daten in einem viel breiteren elektromagnetischen Spektrum zur Verfügung, aus dem mit speziellen Werkzeugen Informationen gewonnen werden können.

Der ungefilterte Blick aus dem Flugzeug

Trotzdem kann Luftbildarchäologie nicht auf gezielte Flüge verzichten. Zu gering ist häufig die Auflösung verfügbarer Satellitenbilder, und die Erfahrung der Forscher über den idealen Zeitpunkt eines Fluges und der ungefilterte Blick aus dem Flugzeug sind nach wie vor nicht zu ersetzen. Das Fehlen der unmittelbaren Sicht auf die Landschaft und die geringe Reichweite schränken auch den Einsatz von alltagstauglichen Drohnen für großräumige archäologische Prospektion noch ein. Sie werden aber zunehmend auch von uns für kleinräumige Aufnahmen von Denkmälern mit Erfolg eingesetzt.

Eine weitere willkommene Ergänzung stellt flugzeuggetragenes Laserscannen dar. Damit eröffnet sich ein Landschaftsteil, der mit Luftbildern nur unzureichend zu erfassen war – die Waldgebiete. Nicht nur im tropischen Dschungel lassen sich damit neue Entdeckungen machen, auch in unseren Breiten zeigen sich Wälle, Gräben, Terrassierungen, Grabhügel, Hohlwege et cetera als Überreste jahrtausendealter Nutzung der Landschaft. Seit 2004 ist flugzeuggetragenes Laserscannen fester Bestandteil unserer Arbeit. Bei Projekten in Österreich, aber auch in Norwegen, Kroatien und Italien eingesetzt, wurden so dutzende bisher unbekannte Fundstellen entdeckt.

Unsichtbare Monumente

Auf dem Rückflug fliegen wir an Wiener Neustadt vorbei. Im Norden sind zwischen linearen Strukturen und sich dahinschlängelnden hellen Bändern kreisrunde dunkle Flecken zu erkennen. Wer einmal auf Google Earth eine Aufnahme gesehen hat, die zur richtigen Zeit angefertigt worden ist, kennt das Wirrwarr an Mustern und Strukturen. Es ist ein Erbe unserer Jäger-und-Sammler-Vorfahren, das es uns erlaubt, darin Spuren zu erkennen und zu interpretieren. Dazu braucht es vor allem Fachwissen und Erfahrung, die einem sagen, dass die linearen Strukturen ehemalige Feldgrenzen sind, die Bänder abgekommene Mäander von Gewässerläufen und die runden Flecken Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg. Andere parallele Linien können sich bei weiterer Forschung als römische Straße entpuppen, wie bei einem unserer Projekte in Kärnten, wo die Römerstraße zwischen den römischen Städten Virunum und Celeia auf langen Abschnitten gut zu verfolgen war.

Nicht nur von den Menschen im pharaonischen Ägypten oder antiken Etrurien wurden Grabdenkmäler als Gestaltungselemente des Lebensraums genutzt und sollten als sichtbare Monumente der Nachwelt von den Bewohnern erzählen. Im Donauraum wurden dazu in der Hallstattkultur, wie die ältere Eisenzeit von etwa 850 bis 450 v. Chr. bezeichnet wird, monumentale Grabhügel angelegt.

In der Steiermark, um die Ortschaft Großklein, sind einige noch gut erhalten. Wir kennen weder die Bezeichnung eines Volkes noch die Namen der Bestatteten. Die frühen Forscher gaben den Hügeln Namen wie Tschoneggerfranzl-Tumulus, und Grabungen im 19. Jahrhundert zeigten, dass darin hochrangige Persönlichkeiten bestattet worden sind. Einem verstorbenen Mann wurde etwa ein bronzener Brustpanzer mit ins Grab gegeben. Aus einem ebensolchen Grabhügel stammte auch der als "Kultwagen" von Strettweg bekannte Bronzemodellwagen, gefunden im steirischen Murtal. Doch erst durch Luftbildarchäologie und geophysikalische Prospektion zeigte sich, wo die genaue Lage des seit Jahrhunderten eingeebneten Grabhügels war und dass er umgeben war von zahlreichen weiteren, bisher nicht erforschten.

Neues Projekt "Iron-Age-Danube"

Wir sind wieder sicher gelandet, und wie immer in der Forschung ist mit der Datenaufnahme nur ein erster Schritt getan. Die Daten des heutigen Fluges werden bearbeitet, ausgewertet und stehen für weitere Untersuchungen bereit. Die Grabhügel, die wir fotografieren konnten, stehen dabei im besonderen Fokus des neu initiierten EU-Projekts "Iron-Age-Danube". Die Hallstattkultur war weit über unsere heutigen Staatsgrenzen verbreitet. Daher arbeiten Partner aus fünf Ländern – neben Österreich Slowenien, Kroatien, Ungarn, Slowakei – unter Federführung des Universalmuseums Joanneum Graz zusammen an ihrer Erforschung und Präsentation. Unsere Methoden werden helfen, die Monumentallandschaft der Eisenzeit wieder sichtbar zu machen.

Neben den Monumenten der Toten können wir in den Geländemodellen auch dazugehörige Siedlungen erkennen, die auf großzügigen Terrassen auf Hügeln am Rande der Beckenlandschaften angelegt worden sind. Im Sommer 2017 sind von den Kollegen des Joanneums einige Forschungscamps geplant, um detaillierteren Fragen nachzugehen. Damit binden wir letztendlich unsere Flüge in die breitere Forschung ein und leisten einen Beitrag, mit dem auch die ungeschriebenen Kapitel der Menschheitsgeschichte besser beleuchtet und verstanden werden können. (Martin Fera, 6.4.2017)