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Ruf nach mehr Transparenz und Demokratie: 2013 war das Protestjahr in Bulgarien. Die Bildung des Reformblocks war das politische Ergebnis. Ins neue Parlament schafft es das Bündnis nicht.

Foto: EPA/Donev

Sofia/Athen – Ein halbes Jahr lang sind sie auf die Straße gegangen, haben jeden Tag vor den mächtigen Mauern des Regierungssitzes auf dem Zar-Oswoboditel-Boulevard getrommelt und gepfiffen, und ein paar 100 Meter weiter unten auf der Straße vor dem Parlament. 2013 war das Protestjahr in Sofia, erst gegen die Sparpolitik des konservativen Premiers Boiko Borissow, dann, nach dessen Rücktritt – viel länger und ausdauernder – gegen die Oligarchen und den Filz, der die von den Sozialisten geführte Regierung des Ökonomen Plamen Orescharski lähmte. Nichts ist geblieben von Bulgariens Bürgerrevolte. "Keiner von denen, die auf die Straße gegangen sind, ist jetzt noch im Parlament", stellt Nayo Titzin fest, ein Filmregisseur und einer der treibenden Kräfte der Proteste vor vier Jahren.

Die Niederlage der "Reformer" ist das vielleicht wichtigste Ergebnis der Parlamentswahlen in Bulgarien vom Vormonat. Boiko Borissow schickt sich nun an, sein drittes Kabinett zusammenzustellen, doch das Korrektiv des kleinen rechtsliberalen Reformblocks fehlt. Der konservativ gestrickte Populist Borissow, der mit Unterbrechungen seit 2009 das Balkanland regiert, wird jetzt erstmals eine Koalition mit rechten Nationalisten und Extremisten eingehen; bisher nutzte er sie als Stimmenbeschaffer, die seine Minderheitsregierungen tolerierten.

"Ich bin mir sicher, dass Borissow diese Konfiguration nicht mag", sagt Titzin, der Regisseur, über die kommende Koalition. Titzin ließ sich im Sommer 2013 einmal vor dem Parlament von der Polizei festnehmen – in einer weißen Zwangsjacke und mit dem Porträt des Rechtsextremisten Wolen Siderow als Pappmaske auf dem Gesicht. Siderow, der Chef der Partei Ataka, hat sich dieses Mal mit den Nationalisten zum Bündnis Vereinte Patrioten zusammengeschlossen und wird bald in Sofia mitregieren. Zur Mehrheit im Parlament fehlen Borissow dann immer noch neun Stimmen. Er wird sie bei dem Drogerieketten- und Tankstellenbesitzer Wesselin Mareschki suchen, einem russlandfreundlichen Populisten wie die "Patrioten", der mit seiner neuen Partei Wolja ("Wille") den Sprung ins Parlament schaffte.

Zwei Jahre Juniorpartner

Anders als der zersplitterte Reformblock. Als erfolgreicher Bannerträger der Bürgerproteste von 2013 galt das Bündnis kleiner liberaler und traditioneller Rechtsparteien ohnehin nie. Doch es war das, was sich politisch in Bulgarien eben machen ließ, unterstützt vom früheren prowestlichen Präsidenten Rossen Plewneliew und dem einflussreichen Medienbesitzer Iwo Prokopiew. Knapp zwei Jahre, von November 2014 bis Jänner 2017, war der Reformblock der Juniorpartner in Borissows zweitem Kabinett. Wirtschaftsminister Bozhidar Lukarski, Justizminister Hristo Iwanow und vor allem die frühere EU-Kommissarin Meglena Kunewa waren seine führenden Repräsentanten.

Die Reformer brachten das Kunststück zuwege, ihr kleines politisches Kapital bei den Parlamentswahlen Ende März in drei rivalisierende Wahlbündnisse zu zerlegen. Jedes kam nur auf zwei bis drei Prozent. Kunewa und Lukarski traten mittlerweile zurück, ebenso Radan Kanew, der mit der Zersplitterung begonnen hatte. (Markus Bernath, 6.4.2017)