Perugia – Pavel Scheremet war gerade auf dem Weg zur Radiostation, wo er eine Morgenshow moderiert hatte. Als er mit seinem roten Subaru XV auf eine Kreuzung in der Innenstadt von Kiew fährt, zerreißt eine Bombe sein Auto. Etliche Passanten eilen zur Hilfe – vergeblich. Scheremet stirbt.

Das Attentat ist neun Monate her, die Mörder wurden bis heute nicht gefasst. Der Journalist war bekannt für seine pro-europäische Haltung und als entschiedener Kritiker der Regierungen in Weißrussland, Russland und der Ukraine. Wegen seiner journalistischen Arbeit musste Scheremet mehrmals ins Gefängnis. Viele glauben, dass er deshalb auch ermordet wurde.

Trauerfeier für den mit einer Autobombe in Kiew ermordeten Moderator Pavel Scheremet im Juli 2016.
Foto: APA/AFP/SERGEI SUPINSKY

Gewaltsame Tode wie jener von Scheremet gehören zur gefährlichen Realität kritischer Journalisten in vielen Ländern Ost- und Südosteuropas. Verhaftungen, Bedrohungen, körperliche Angriffe und staatliche Zensur sind Teil ihres Arbeitsalltags. Zunehmend autoritäre Rhetorik und Politik verschärfen die Lage weiter. Beim Journalismusfestival in Perugia widmete sich eine Podiumsdiskussion dieser Lage der Pressefreiheit in Südosteuropa.

"Jeder kann getötet werden"

Vor einigen Jahren haben Politiker ihre Kritik noch schlichtweg ignoriert, sagt die junge ukrainische Investigativjournalistin Anna Babinets. Das habe sich zuletzt geändert, der Ton sei spürbar rauer und der Job noch härter geworden. Statt Ignoranz bekämen Journalisten, die Missstände aufdecken und Politiker kritisieren jetzt offene Drohungen und Gewalt zu spüren.

Ob in der Ukraine, Albanien oder Kroatien: Das Muster ist dabei in vielen Staaten in Ost- und Südosteuropa ähnlich. Journalisten werden diffamiert, eingeschüchtert oder körperlich attackiert. Das Ziel hinter diesen Angriffen: die Fragen sollen aufhören, die Kritik verstummen. Und wer nicht spurt, riskiert nicht nur seine wirtschaftliche Existenz, sondern auch sein Leben. "Jeder kann getötet werden", sagt Babinets. Sie lässt sich dennoch nicht einschüchtern.

Verschwörungstheorien und wirtschaftlicher Druck

Wenn es um Repressionen gegen Journalisten geht, reden wir oft nur über körperliche Gewalt, erklärt Besar Likmeta, Journalist in Albanien. "Sie schmerzt, deshalb ist sie in unseren Köpfen so präsent." Eine beliebtere und effektivere Taktik korrupter Politiker gegen unliebsame Journalisten sei aber, sie öffentlich zu diffamieren. Die systematische Verbreitung rechter, oft antisemitischer Verschwörungstheorien über die vermeintlich von Juden kontrollierten Medien sei etwa in Albanien besonders effektiv. Dadurch werde die Legitimität der Journalisten bei der Bevölkerung beschädigt.

Eine wichtige Rolle spielen dabei große, gut finanzierte und regierungstreue Medienunternehmen, sagt Likmeta. Sie würden in vielen Balkanstaaten als reines Sprachrohr der Regierung auftreten und eine Art Parallelrealität schaffen, in der regierungskritische Journalisten als Feinde betrachtet werden. Diese Taktiken gehen oft Hand in Hand mit einem enormen wirtschaftlichen Druck, der auf kritische Medienunternehmen ausgeübt wird: Werbeeinschaltungen werden ihnen gestrichen und die finanzielle Basis der Kritik damit zerstört.

Die Arbeit kritischer Journalisten in Osteuropa ist schwierig und gefährlich. Likmeta appelliert deshalb an die Öffentlichkeit: Habt kein Mitleid mit ihnen. Lest lieber ihre Geschichten. (Philipp Bauer, 6.4.2017)

Das Video von der Podiumsdiskussion "Pressefreiheit in Südosteuropa":

Panel mit Anna Babinets (OCCRP Ukraine), Barbara Fabro (Central European Initiative), Besar Likmeta (BIRN Albania), Zrinka Vrabec-Mojzes ("Nacional"), Oliver Vujovic
(SEEMO).
International Journalism Festival