Eine eigene Redaktion "gehört einfach zu einem gut akzeptierten Vollprogramm", findet ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker.

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Wien – Seit Freitag, null Uhr gehört der Privatsender ATV zur ProSiebenSat1Puls4-Gruppe. Der Plan des neuen Besitzers dürfte schon länger in Vorbereitung gewesen sein: Seit vier Monaten schon werden Stellen in der Sendergruppe nicht nachbesetzt, sagt ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag. Sie werden bevorzugt jenen 70 ATV-Mitarbeitern angeboten, deren Planstellen im Laufe des Jahres abgebaut werden.

Der Plan für ATV in Eckpunkten

Die neue Muttergruppe holt den Sender zu sich: ATV zieht ins ProSiebenSat1Puls4-Zentrum im Wiener Mediaquarter St. Marx. Ende 2017 soll der Umzug abgeschlossen sein. Damit einher geht eine neue Sendeabwicklung für ATV und ATV 2, die Möglichkeit in HD zu produzieren und ein neu gebautes Studio für die Nachrichtensendung "ATV Aktuell".

Die Redaktion von ATV bleibt personell im aktuellen Umfang erhalten, beteuern Breitenecker und Infochefin Corinna Milborn, die erst kürzlich in die Geschäftsleitung der Sendergruppe aufgestiegen ist: Fünf Stellen seien in der ATV-Redaktion schon als Teil des Kaufdeals gestrichen worden, in der aktuellen Größe bleibe die Redaktion erhalten und eigenständig. Auf das jeweilige Rohmaterial können zwar immer beide Redaktionen zugreifen, aber "es entscheidet jeder Chefredakteur eigenständig, was er macht", sagt Milborn.

"News around the clock"

Bei der Programmgestaltung lautet das neue Motto "miteinander statt gegeneinander": ATV und Puls 4 sollen fortan "komplementär" programmiert werden. Die Polit-Diskussionsformate "Klartext" (ATV) und "Pro und Contra" (Puls 4) laufen derzeit etwa beide am Montagabend, künftig könnte "Klartext" am Mittwoch gesendet werden.

Thomas Gruber, der neue Programmgeschäftsführer von ATV, kündigte an, "das Thema News noch größer schreiben" zu wollen und die Nachrichtensendungen der beiden Sender über den Tag zu verteilen. "Unser Motto ist mehr oder weniger 'News around the clock'", sagt Gruber.

Comedy und Shows sollen bei Puls 4 bleiben, ATV behält dafür seine Doku-Soaps und Reportagen. Eigenproduktionen wie "Bauer sucht Frau" und "Pfusch am Bau" sind laut Gruber Teil des "klaren Profils" des Senders und werden daher im gleichen Ausmaß fortgeführt oder sogar ausgebaut.

"Austria's next Topmodel" wandert zu ATV

Am Mittwoch und Donnerstag sollen im ATV-Hautpabendprogramm durchgängig Eigenproduktionen laufen, montags und dienstags spielt Puls 4 seine Eigenproduktionen "Sehr witzig" und "2 Minuten 2 Millionen". Abgesehen davon laute die Devise: "Nur mehr eine Serie auf einem Sender." Serien wie "Criminal Minds" laufen derzeit auf Puls 4 (unter der Woche) und auf ATV (am Samstag) – künftig soll die Crime-Schiene gänzlich auf ATV verlagert werden.

Insgesamt soll ATV jünger und weiblicher werden – und damit auf die Marktanteile von RTL und Vox abzielen. Deutlichster Schritt dorthin: Die Casting-Show "Austria's next Topmodel" wandert mit der im November 2017 startenden neuen Staffel von Puls 4 auf ATV. Der Castingaufruf startet dafür schon jetzt – auf allen Sendern der Gruppe, damit erreiche man "maximale Synergie im Bereich Cross-Promotion", sagt Gruber. Die Änderungen in den Programmen sollen zum Teil schon ab Mai in Kraft treten.

ATV 2 soll Anfang 2018 einen "Soft Relaunch" erleben – man sehe "in ATV 2 einen sehr starken Sender, dem ein klares Profil derzeit fehlt", sagt Finanzchef Bernhard Albrecht, derzeit handle es sich um einen "Abspielsender von ATV-Eigenproduktionen und Lizenzcontent, der vielleicht am großen Sender nicht funktioniert". Man überlege derzeit über Themen für ATV 2, Gruber nannte "Food, Living" als mögliche Felder.

Namensänderung möglich

ATV könnte außerdem eine Namensänderung bevorstehen – wenn auch eine fast kosmetische. Um ein harmonischeres Nebeneinanderstehen mit ATV 2 zu ermöglichen, könnte der Name des Senders auf ATV 1 geändert werden.

Bei den Plänen für den Neuerwerb war ProSiebenSat1Puls4 an die Auflagen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) gebunden – die gelten freilich nur bis 2022. Darin ist auch festgeschrieben, dass die ATV-Redaktion eigenständig erhalten bleiben muss. "Wir würden das auch machen, wenn wir keine Auflagen hätten", sagt Breitenecker dazu. Denn "es gehört einfach zu einem gut akzeptierten Vollprogramm", dass den Sehern auch selbstproduzierte Nachrichten geliefert werden. Die Redaktionsstatute von Puls 4 und ATV blieben aufrecht. (sefe, 7.4.2017)