Foto: https://claireprentice.org/

Perugia – Ihre Recherchen zu ihren Büchern "The Lost Tribe of Coney Island" und "Miracle at Coney Island" erinnerten Journalistin und Autorin Claire Prentice daran, dass Fake News kein neues Konzept sind – nur haben sie jetzt einen klingenden Namen.

STANDARD: Was unterscheidet Fake-News heute von denen in der Vergangenheit?

Prentice: Fake-News ist ein neuer Ausdruck, aber kein neues Konzept. Sie haben allerdings heute neue Elemente. Websites, die finanziert werden, um Fake-News zu verbreiten, sind ein vollkommen neuer Aspekt. Ich glaube auch, dass die Geschwindigkeit, mit der Nachrichten verbreitet werden, eine große Rolle spielt. In unserer 24/7-Medienwelt werden Nachrichten schnell produziert und schnell konsumiert und dadurch schnell "viral". Dadurch gibt es wohl für viele Journalisten weniger Möglichkeiten, die Fakten zu checken. Oft verbreitet auch jemand, der kein Journalist ist, Geschichten, die dann von vertrauenswürdigen Quellen aufgegriffen werden. Das verleiht den Storys eine Glaubhaftigkeit, die sie nicht verdienen. Es ist damit viel schwieriger geworden, sich in der Medienlandschaft zurechtzufinden.

STANDARD: Sind Fake-News heute gefährlicher als früher?

Prentice: Na ja, sind sie gefährlich oder aufrührerisch? Sie bringen Unruhe in die Weltordnung, in die Medien und die Politik. Ob man das gefährlich findet, hängt davon ab, ob man denkt, dass diese Einmischung gut oder schlecht ist. Ich würde also eher sagen, sie stiften Unruhe.

STANDARD: Recherchearbeit ist immer eine Frage der Zeit und der finanziellen Ressourcen. Wann ist der Punkt erreicht, an dem man als Journalist ziemlich sicher sein kann, genug recherchiert zu haben?

Prentice: Das kommt sehr auf die Geschichte an. Als ich Journalismus studiert habe, hat mir ein Professor einmal gesagt, solange ich zwei verlässliche Nachrichtenquellen habe, die dasselbe sagen, kann ich diese Aussage als Fakt werten. Heute wissen wir, dass das nicht wahr ist. In einer perfekten Welt würden wir jede erdenkliche Information überprüfen, aber ich bin Realistin genug, um zu wissen, dass Journalisten auf Deadlines hinarbeiten und das nicht tun können. Aber wir sollten immer auf dieses Ideal hinarbeiten. Es gibt definitiv einen enormen Zeitdruck, der Erste zu sein, der eine Geschichte veröffentlicht. Speziell junge Journalisten, die gerade in ihre Karriere starten und nicht viel verdienen, haben einen Druck, sagen wir, zehn Artikel am Tag zu veröffentlichen. Mit der Schnelligkeit passieren Fehler. Als ich angefangen habe, in der Nachrichtenredaktion zu arbeiten, wurde von mir maximal erwartet, drei Storys am Tag zu schreiben.

STANDARD: Behandeln Medien heutzutage Nachrichtenmaterial anders als früher?

Prentice: Wir haben in der heutigen Gesellschaft die Tendenz, Menschen schnell als gut oder böse abzustempeln. Das ist sehr simpel, und es ist faul, sich als Nachrichtenkonsument auf diese Vereinfachung einzulassen.

STANDARD: Diese Faulheit ist wohl auch das, was die Boulevard-Presse nährt.

Prentice: Ja, die Leute wollen unterhalten werden, ob die Informationen nun akkurat sind oder nicht. Wir als Medienkonsumenten machen uns schuldig: Solange es eine Nachfrage für diese Art von Journalismus gibt, wird es ihn geben.

STANDARD: Durch Ihre Recherchen zu Ihrem Buch "The Lost Tribe of Coney Island" haben Sie festgestellt, dass Amerika damals während und nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg eine Fieberwelle von Fake-News erlebte. Würden Sie sagen, dass wir gerade eine weitere erleben?

Prentice: Ohne Zweifel. Fake-News sind überall. Es ist allerdings sehr wichtig zu unterscheiden zwischen Fake-News als Nachrichten, die für politische Zwecke verformt oder erfunden wurden, und Fake-News als Label, wie Donald Trump es für Nachrichten verwendet, die ihm nicht gefallen. (Pia Miller-Aichholz, 8.4.2017)