Für Goran Djuricin (re.) gibt es "24 Stunden am Tag nur mehr Rapid". Martin Bernhard (li.) steht ihm zur Seite: "Es geht ums Überleben."

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Wien – Es war Sonntagmittag auf dem Trainingsplatz neben dem Happel-Stadion. Die Rapidler hatten sich das unterirdische 0:3 vom Vortag gegen Ried aus den Beinen und den Köpfen geschüttelt. Über die Beurlaubung von Cheftrainer Damir Canadi waren sie längst informiert. Jubelgesänge waren keine zu vernehmen – steckt man mitten im Abstiegssumpf, wäre zur Schau gestellte Erleichterung auch unangebracht.

Die Sonne hatte ihre komplette Frühlingskraft ausgepackt, als drei Herren zu einer improvisierten Pressekonferenz erschienen sind. Sportvorstand Fredy Bickel (51) sowie Goran Djuricin (42) und Martin Bernhard (45). Die beiden hatten Canadis Stab angehört, sind jetzt das neue verantwortliche Duo. Djuricin hat das letzte Wort. Es ist eine interimistische Lösung bis zum Saisonende. Bickel machte ihnen nichts vor, es läuft parallel eine intensive Trainersuche. Wobei es nicht auszuschließen ist, dass diese Not- zu einer Dauerlösung wird, Erfolg vorausgesetzt.

Canadis Potenzial

Der Schweizer Bickel hinterließ einen ebenso niedergeschlagenen wie souveränen Eindruck, diesen Spagat muss man erst einmal beherrschen. Er verlor kein schlechtes Wort über Canadi. "Er hat als Trainer großes Potenzial. Vielleicht ist er sich mit seinem unbändigem Willen selbst im Weg gestanden. Schlussendlich ist es am Zwischenmenschlichen gescheitert." Bickel legte Wert auf die Feststellung: "Wir alle sind Verlierer." Unmittelbar nach dem 0:3 begannen die Mühle zu mahlen, die Mechanismen des Fußballs schrecken auch vor Rapid nicht zurück. Man hatte sich lange dagegen gewehrt.

Canadis Bilanz ist vereinshistorisch schlecht. In 14 Meisterschaftspartien wurden nur elf Zähler geholt, 42 wären möglich gewesen. Bickel schaltete sich mit dem Präsidium und dem in den USA weilenden Präsidenten Michael Krammer kurz, die Beurlaubung erfolgte einstimmig. Canadi soll die Kunde professionell aufgenommen haben.

Team contra Trainer?

In der Länderspielpause wurden noch intensive Gespräche geführt. Nach dem souveränen 3:1 im Cup in St. Pölten hoffte Bickel auf die Wende, auf ein Zusammenraufen. In Ried wurde er eines besseren oder schlechteren belehrt. "Vielleicht haben wir die Zitrone zu fest ausgepresst."

Dass die Mannschaft gegen den Trainer gespielt hat, ist laut Bickel "Unfug. Es ist eine spezielle Mannschaft. Überdurchschnittlich intelligent, die Spieler hinterfragen alles, nehmen jedes Wort auseinander. Sie sind sehr sensibel, suchen die Schuld in erster Linie bei sich selbst." Der neue Trainer müsse zu dieser Truppe passen.

Die interimistische Lösung sei alternativlos gewesen. Im vergangenen Juni wurde Zoran Barisic entlassen, im November Mike Büskens und nun Canadi. "Ein vierter Neuer wäre unzumutbar gewesen." Djuricin gilt als sozial kompetent, er war mitunter das Korrektiv. "In meinem Hirn rattert es, es gibt 24 Stunden am Tag nur mehr Rapid. Wir wollen raus aus dem Keller, denken nur von Match zu Match. Wir müssen die Tugenden auspacken, Wille, Stolz, Ehre. Wir müssen kratzen und beißen. Das System ist nicht so wichtig, es kommt auf die Interpretation an. Ob ich Chef bleibe, ist drittrangig."

Bernhard drückte es ähnlich aus: "Es geht ums Überleben." Djuricin sagte noch: "Ich wäre der größte Vollidiot, würde ich alles ändern. Man kann nur an kleinen Rädchen drehen."

Am Karsamstag kommt Altach ins Allianz Stadion. Also jener Klub, von dem Canadi im November losgeeist wurde. Für Bickel ist nun Abstiegskampf pur angesagt. "Wir hatten ganz andere Ansprüche." (Christian Hackl, 9.4.2017)