Ein Rettungswagen muss bei einem Unglück auch in Zukunft sofort zur Stelle sein. Aber bei der Vergabe von Rettungsdiensten könnte es in Zukunft zu Verzögerungen und Klagen kommen.

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Wien – Die Vergabe von Rettungsdienstleistungen durch Bund, Länder und Gemeinden unterliegt dem Vergaberecht und ist damit ausschreibungspflichtig – zumindest derzeit. Dies soll sich mit dem neuen Vergabegesetz zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie, dessen Begutachtungsfrist am 3. April abgelaufen ist, aber ändern.

Zukünftig sollen Rettungsdienstleistungen nach weniger strengen Regeln vergeben werden können und erst ab einem Auftragswert von 750.000 Euro EU-weit ausschreibungspflichtig sein ("Vergaberecht light"). Nicht gewinnorientierte Organisationen sollen künftig sogar direkt und damit ohne Ausschreibung mit der Erbringung des Rettungsdienstes beauftragt werden können ("zero Vergaberecht").

Obwohl damit eine erhebliche Erleichterung für nicht gewinnorientierte Organisationen geschaffen wird, hat der Begutachtungsentwurf zahlreiche kritische Wortmeldungen betroffener Organisationen hervorgerufen: Denn die Ausnahmebestimmung ist in vielen Bereichen unklar. Besonders die Abgrenzung, für welche Rettungsdienstleistungen zukünftig kein Vergaberecht und für welche das Vergaberecht light gilt, sorgt für Unsicherheit.

Kritisiert wird gleichzeitig der Umstand, dass "der Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung" nicht vom Vergaberecht ausgenommen werden soll und damit sowohl bei der Erbringung durch nicht gewinnorientierte als auch durch gewerbsmäßige Dienstleister ausschreibungspflichtig bleibt.

Tatsächlich ergibt sich damit ein veritables Abgrenzungsproblem zwischen ausschreibungsfreien und -pflichtigen Dienstleistungen. Dies ist besonders kritisch, da eine einheitliche Terminologie fehlt und die Begriffe "Rettungstransport", "Notfalltransport", "Krankentransport" und "Ambulanztransport" landesrechtlich unterschiedlich oder teilweise gar nicht definiert sind.

Notfallrettung vs. Krankentransport

Fest steht, dass die sogenannte Notfallrettung, worunter der Transport von medizinischen Notfällen mit organisierter medizinischer Hilfe durch qualifiziertes Personal unter ärztlicher Verantwortung verstanden wird, zukünftig nicht mehr unter das Vergaberecht fallen soll. Ebenso weitgehend unbestritten ist, dass der reine Krankentransport (der Einsatz von Krankenwagen ausschließlich zu Beförderungszwecken) unverändert im Anwendungsbereich des Vergaberechts bleiben und damit ausschreibungspflichtig sein soll. Eine anderslautende Umsetzung wäre wohl aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vergabe-RL unzulässig.

Unklar ist auch, nach welchen Regeln zukünftig die Vergabe des "qualifizierten" Krankentransports, also des Transports von medizinisch betreuungsbedürftigen Patienten in einem Krankentransport- bzw. Rettungswagen im Beisein von Ärzten oder Sanitätern, zu erfolgen hat.

Da dieser nicht nur eine reine Transportleistung, sondern auch eine medizinisch-fachliche Versorgung umfasst, lässt sich aus den Erwägungsgründen der Vergabe-RL ableiten, dass der qualifizierte Krankentransport durch nicht gewinnorientierte Organisationen ebenfalls vom Vergaberecht ausgenommen ist: Denn auch sogenannte gemischte Verträge, bei denen der Wert der Rettungsdienste den Wert der reinen Transportleistung übersteigt, sollen von der Ausnahmebestimmung erfasst sein.

Wer wird privilegiert?

Unklar ist auch, welche Organisationen überhaupt direkt beauftragt und so gegenüber gewerblichen Anbietern privilegiert werden dürfen. Der Begutachtungsentwurf spricht nur von "nicht gewinnorientierten Organisationen". Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs dürfen aber nur solche Organisationen ohne Ausschreibung direkt mit Rettungsdienstleitungen beauftragt werden, die neben der fehlenden Gewinnerzielung (es dürfen nur die tatsächlichen Kosten erstattet werden) auch nur auf so viele Erwerbstätige zurückgreifen, wie für den geregelten Betrieb der Organisation erforderlich ist.

Die strittige Frage, ob diese Voraussetzungen von Hilfsorganisationen in Deutschland erfüllt werden, liegt derzeit beim EuGH. Der Ausgang dieses Verfahrens ist auch für Freiwilligenorganisationen in Österreich relevant.

Zu hoffen bleibt, dass der österreichische Gesetzgeber nach Ende der Begutachtung den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nutzt, um Unklarheiten zu beseitigen, und die Landesgesetzgeber die Terminologie im Rettungswesen vereinheitlichen. Sonst könnte die vermeintliche Vereinfachung genau Gegenteiliges bewirken – nämlich ein höheres Risiko für Klagen. Unabhängig davon steht schon fest, dass die Ausnahme für Rettungsdienstleistungen kein Freibrief für Direktvergaben ist und einer genauen Einzelfallprüfung bedarf. (Johannes Stalzer, 10.4.2017)