Fallende Engel, die Arche Noah und der Priester – Werbung bedient sich religiöser Bilder in ihren Botschaften, um Produkte zu verkaufen. Bei den verwendeten religiösen Erzählungen, Zeichen und Symbolen handelt es sich um soziale und kulturelle Codes, die von der Mehrheit als solche verstanden und interpretiert werden – und dazu gehören besonders Figuren und Narrative aus dem jüdisch-christlichen Milieu.

Auf Noahs Arche fliehen paarweise Frauen.
Screenshot: Youtube

Wieso werden religiöse Botschaften verwendet?

Welche Aussagekraft hat nun eine Werbebotschaft, die mit Hilfe von religiösen Symbolen und Motiven ein säkulares Produkt verkaufen will? Wird hier die Existenz einer religiösen Heilsbotschaft durch den Einsatz religiöser Elemente und der sakralen Aufwertung des Produktes suggeriert? Wird das Produkt aus seiner profanen Umgebung herausgenommen, überhöht und in einem sakralen Kontext neu inszeniert?

In vielen Fällen lässt sich eine Herausnahme des Produktes oder der Marke aus dem Alltäglichen und die Zuschreibung besonderer Fähigkeiten, die seine Einzigartigkeit ausmachen, erkennen. Insbesondere in Bezug auf die Herausbildung und Festigung einer Marke als Mythos wird diese Art und Weise der Überhöhung vorangetrieben.¹ Wesentlich in der Darstellung religiöser Elemente in der Werbung sind Symbolik und Sprache, die mit konkreten ökonomischen Interessen in Bezug auf den Absatz eines Produktes inszeniert werden.

Oft soll aber nicht nur ein Produkt verkauft werden, sondern auch das Lebensgefühl und die Weltanschauung einer Marke. Werbung ist daher als Kommunikationselement zwischen einem Produkt respektive einer Marke und einem wünschenswerten Zustand zu sehen, dessen Erreichen für die Zuseher durch den Kauf dieses Produktes potentiell ermöglicht werden soll. Insbesondere mithilfe der Ästhetik der Inszenierung wird die Aufmerksamkeit des Zielpublikums und schlussendlich der Verkauf des Produktes angestrebt. Dabei können religiöse Elemente immer wieder eine Rolle spielen.

TheFallenSuccubus

Zwischen Kommerz und Weltuntergang

Fernsehwerbung in ihrer audio-visuellen Form, in der Narrativstrukturen eine zentrale Rolle spielen, ist hierbei meines Erachtens nach besonders interessant. Religion und religiöse Elemente können in kommerzieller Werbung in unterschiedlichster Art und Weise in Szene gesetzt werden: Zum Beispiel in Form von religiösen Narrativelementen, Personen und Figuren bis hin zu religiösen Motiven und Symbolen. In den meisten Fällen werden diese Elemente aus ihrem unmittelbaren religiösen Kontext herausgelöst und in Bezug auf die Werbebotschaft in ein säkulares und kommerzielles Setting eingebettet.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass diese religiösen Elemente von den Produzenten nicht unbewusst aufgegriffen werden, da nicht nur der Rückgriff auf gesellschaftlich weit verbreitete und bekannte Zeichen und Symbole, sondern auch die Erregung von Aufmerksamkeit bis hin zur Provokation durch den Einsatz von religiösen Elementen zentrale Werbestrategie sein kann. Die Marke Axe konzipierte zum Beispiel für das Jahr 2012 eine Werbekampagne, die sich am Mythos des Maya-Kalenders und des prognostizierten Endes der Welt 2012 orientierte und kombinierte dieses Sujet mit dem für die westliche Welt vertrauten biblischen Bild der Arche Noah:

AXE offiziell

Die Erzählung Noahs wird jedoch im Sinne der Marke, dass durch das Deodorant die Anziehungskraft auf Frauen erhöht wird, uminterpretiert und in einen neuen Kontext gesetzt. Die Arche ist nun mit Fitnessstudio und Stereoanalage ausgestattet, und wenn das Ende der Welt im Narrativ des Werbespots vor der Tür steht, ziehen nun nicht wie in der biblischen Vorlage Tiere paarweise zur Arche, sondern schreiten Frauen in Paaren durch das hohe Gras auf Noah und seine Arche zu. Wobei hier näher zu betrachten wäre, inwieweit die Darstellung von Frauen in Paaren nicht der grundsätzlich heteronormativen Intention von Axe widerspricht und stattdessen Raum für alternative Interpretationen schafft.

Gefallene Engel machen sich auf der Erde auf die Suche nach einem gutriechenden Mann.
Screenshot: Youtube

Engel und Mönche: Figuren in (kontroversen) Werbestrategien

Die Zuschreibung des aktiven Parts auf den männlichen Protagonisten, die angebliche Wirkung des Produktes auf das weibliche Geschlecht, sowie die damit konstruierten heteronormativen Aussagen beiseite gestellt, ist es interessant dass Axe immer wieder religiöse Elemente heranzieht, um die selbstpräsentierte innovative und kreative Werbestrategie der Marke zu unterstreichen. So provozierte Axe zum Beispiel 2011 mit einem Werbespot, in dem Engel vom Himmel fielen, diverse christliche Gruppierungen.

Aber auch in Werbespots anderer Marken werden immer wieder religiöse Elemente (provokativ) inszeniert und transformiert. Red Bull greift die Figur des Priesters und den Akt der Beichte auf, während bei Mars Mönche durch den Genuss des Schokoladenriegels außergewöhnliche Kräfte erhalten und die Glocken ihres Klosters plötzlich im Rhythmus des 90er-Hip-Hop-Hits "Jump Around (House of Pain)" läuten. Die Reaktionen und Diskussionen um diese Werbespots zeigen, dass die Konstellation Religion und Werbung zentrale Themen gesellschaftlicher Diskurse aufgreift.

Red Bull

Dabei erfüllen religiöse Elemente oftmals, ähnlich wie aktuelle politische Diskurse oder kulturelle und soziale Symbole, die Funktion der vertrauten Anknüpfungspunkte für die Betrachter. Gesellschaftliche Werte und Normen sowie religiöse Zeichen und Symbole werden aus tradierten und bekannten Ordnungen herausgelöst und in vielen Fällen in kontroverser Art und Weise mit kommerziellen Werbeinhalten verknüpft. Dabei zeigt sich die tiefe gesellschaftliche Verankerung dieser Elemente in den westlichen Gesellschaften, für die diese Werbespots konzipiert wurden. Die Bedeutung von Religion mag sich hier verändern, Thema ist sie jedoch weiterhin. (Lisa Kienzl, 12.4.2017)

Red Bull bedient sich in seiner Werbung gerne dem Motiv des Pfarrers.
Screenshot: Youtube

¹ Vgl. Roland Barthes, Mythen des Alltags, Suhrkamp 2012.

Link

Weiterführende Publikationen der Autorin zum Thema: 

  • Kienzl, Lisa: Happy End of the World - Final Edition Religious and apocalyptic narratives in commercials 2012. In: Disputatio Philosophica. International Journal on philosophy and religion, 14 (1):83-90 (2012).
  • Kienzl, Lisa: Von fallenden Engeln und dem Leben im Kloster. Produktsakralisierung und Heilsversprechen in der Werbung. In: DIAKONIA - Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche, 43 (3):189-193 (2012).

Weitere Beiträge des Blogs: