Rippenquallen dürften seit rund 600 Millionen Jahren die Meere bevölkern und bilden womöglich doch den ersten aller Tierstämme.

Kevin Raskoff, NOAA

Nashville/Wien – Seit zehn Jahren streiten sich Evolutionsbiologen heftig darüber, was das erste Tier war, das vor rund 600 Millionen Jahren im Ozean entstand. Lange galten Schwämme als Anwärter, was sich auch in der Popkultur in Gestalt von Spongebob niederschlug, dem schwammigen Protagonisten der gleichnamigen Zeichentrickserie, erdacht 1998 vom US-Meeresbiologen Stephen Hillenburg.

2008 behauptete dann eine Forschergruppe in "Nature", dass Rippenquallen älter sein müssten, weil sie im Gegensatz zu den Schwämmen nur eine Lage Zellen in der Embryonalentwicklung besitzen, die Schwämme hingegen zwei. Ende 2013 schien das erste vollständige Rippenquallengenom (veröffentlicht in "Science") diese Annahme zu bestätigen.

2:2 im Kampf Schwamm gegen Rippenqualle

Doch das ließ die Schwamm-Fraktion nicht auf sich sitzen: Ende 2015 argumentierten Forscher um Gert Wörheide (Uni München) im Fachblatt "PNAS" wieder zugunsten der Schwämme: Rippenquallen seien bereits zu entwickelt. Und erst vor drei Wochen kamen Forscher in "Current Biology" auf Basis des größten phylogenomischen Vergleichs wieder auf die Schwämme.

Die neueste Studie von Forschern um Antonis Rokas, Evolutionsbiologe an der Vanderbuilt University, geht die Frage etwas anders an: Rokas und Kollegen vergleichen im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" nicht möglichst viel DNA, sondern nur wenige Gene, die dafür alle Arten besitzen. Und auf Basis dieser Gene wird nach Verwandtschaftsverhältnissen gesucht und die Orte im Stammbaum rekonstruiert.

Nicht nur eine Stammbaumfrage

Laut dieser Methode lösten die Rippenquallen die Schwämme wieder als ältesten und ursprünglichsten Tierstamm ab – zumindest bis zur nächsten Studie. Die Frage geht über eine des Stammbaum hinaus, so Rokas: Sie beeinflusst auch unsere Vorstellungen davon, "sich das Nervensystem, der Verdauungstrakt und andere Grundorgane in modernen Tieren entwickelten".

Mit ihrer neuen Methode "entschied" das Forscherteam um Rokas en passant aber auch einen anderen klassischen Streitfall: 74 Prozent der untersuchten Gene deuten darauf hin, dass Krokodile mit Schildkröten enger verwandt seien als mit Vögeln. (tasch, 10.4.2017)