Ein Mann traegt ein Kreuz als Christen verschiedener Konfessionen sich am Freitag, 2. April 2010, in Goerlitz, Sachsen, zu einer Kreuz-Prozession durch die Stadt treffen.

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Als in den 1950er-Jahren die große Koalition entschied, evangelischen Christen neben den staatlichen – zumeist katholischen – Feiertagen auch den Karfreitag freizugeben, war Österreich noch ein tief religiöses Land und die Frage, ob man an diesem Tag in die Kirche oder zur Arbeit geht, eine ganz wichtige. Begründet wurde das damals auch mit der historischen Verfolgung von Protestanten – eine Begründung, die für Juden, die über den Generalkollektivvertrag ebenfalls einen zusätzlichen freien Tag zu Jom Kippur, ihrem höchsten religiösen Feiertag, erhielten, noch viel mehr zutraf.

Doch heute stellen Kirchgänger nur noch eine kleine Minderheit. Die zweitgrößte Religionsgemeinschaft sind Muslime, die kein Sonderrecht haben, obwohl sie meist gläubiger sind als die Mehrheit. Die gesetzliche Karfreitagsregelung bedeutet vor allem, dass Mitglieder der evangelischen Kirche für Osterferien einen Urlaubstag weniger konsumieren müssen als andere – oder einen Feiertagszuschlag erhalten, wenn sie dennoch arbeiten. Das kostet die Wirtschaft wegen der geringen Zahl der Betroffenen nicht viel, ist aber offensichtlich ungerecht. Das weiß man seit Jahrzehnten.

Es hat einer Klage eines atheistischen Arbeitnehmers bedurft, dass sich zumindest die Gerichte der Sache annehmen. Dass der Oberste Gerichtshof die heiße Kartoffel an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiterreicht, ist sachlich gerechtfertigt und praktisch. Denn damit gewinnt die Politik etwas Zeit, hier selbst eine Lösung zu suchen.

Das ist nicht einfach, denn das Thema Feiertage ist emotional stark belastet. Entscheidet der EuGH auf religiöse Diskriminierung, dann würden Arbeiterkammer und Gewerkschaften sofort den freien Karfreitag für alle fordern. Aber für die Wirtschaft wäre dies ein Horrorszenario, denn Österreich liegt schon jetzt bei der Zahl der Feiertage im EU-Spitzenfeld.

Doch die entgegengesetzte Lösung – Protestanten den freien Karfreitag wegzunehmen – wäre für Gewerkschaften und Kirchen inakzeptabel. Aus religiöser Sicht würde es zwar ausreichen, wenn Protestanten und Juden an ihrem höchsten Feiertag ein Anrecht auf einen Urlaubstag erhielten – und das Gleiche auch für Muslime gälte. Das wäre auch die fairste Lösung. Aber in der österreichischen Realpolitik wird sich die Wirtschaft mit einer für sie so günstigen Lösung kaum durchsetzen können. Einen anderen gesetzlichen Feiertag im Tausch für den Karfreitag zu streichen, etwa den 8. Dezember, ist wiederum für die katholische Kirche ein rotes Tuch.

Dennoch: Eine Neuregelung ist wohl unvermeidlich, und die Politik muss sich dabei der Frage stellen, wie sie es mit der Trennung von Kirche und Staat hält. Denn dass die Republik mit ihren gesetzlichen Feiertagen nur die religiösen Interessen der Katholiken berücksichtigt, ist ein Relikt aus einer Zeit, als der Katholizismus noch echte Staatsreligion war.

Ein möglicher Kompromiss wäre es, dass Protestanten am Karfreitag (und Juden zu Jom Kippur) ein Anrecht auf Bezahlung haben, wenn sie sich freinehmen, aber keinen Feiertagszuschlag erhalten, wenn sie arbeiten. Doch auch diese Lösung ist nicht ganz sauber, eine vergleichbare Regelung müsste es auch für Muslime geben.

Auf jeden Fall sollten Regierung und Sozialpartner nicht auf die EuGH-Entscheidung warten. Die Gretchenfrage "Wie hältst du's mit der Religion?" muss in Österreich beantwortet werden. (Eric Frey, 10.4.2017)