Belgrad – Den neunten Tag in Folge sind in zahlreichen serbischen Städten am Mittwoch wieder viele Tausend meist junge Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen Regierungschef Aleksandar Vučić zu protestieren. Vučić äußerte am Dienstag seine Vermutung, dass die Opposition hinter den anhaltenden Proteste steckt. Der scheidende Staatschef Tomislav Nikolić mahnte unterdessen zu ruhigen Protesten.

Vučić hatte die Präsidentenwahl am 2. April bereits in der ersten Runde mit 55 Prozent der Stimmen gewonnen, die übrigen zehn Kandidaten landeten weit abgeschlagen hinter ihm. Sein wichtigster Rivale, Sasa Jankovic, der 16 Prozent der Stimmen erhalten hatte, stellte sich hinter die Demonstranten. Die Opposition hatte Vučić Wahlmanipulation vorgeworfen und kritisiert, dass der Regierungschef im Wahlkampf die Opposition mit seinem großen Einfluss in Medien, Justiz, Parlament, Regierung und Geheimdienst unterdrückt habe. Die Demonstranten hatten auch den Rücktritt von Vučić gefordert.

Keine Absicht, Diktatur zu errichten

"Sie (die Opposition, Anm.) wollen die Demokratie, die Institutionen abschaffen", betonte Vučić am Montagabend gegenüber dem Belgrader TV-Sender Happy. "Sie werden nicht das Prinzip einführen, alles, was ihnen nicht gefällt, auf die Straßen zu bringen", unterstrich Vučić mit Verweis auf die Proteste. "Niemand wird in Serbien die Diktatur einführen", so der Premier, der am 31. Mai das Präsidentenamt antreten soll. Vučić hatte sich wiederholt gegen ein Einschreiten der Polizei gegen die Demonstranten ausgesprochen. Die Proteste könnten auch zehn Jahre lang anhalten, wichtig sei nur, dass sie ruhig bleiben, erklärte er. Der anhaltende "Protest gegen die Diktatur" wurde bereits am Wahlabend in sozialen Netzwerken losgetreten. Wer ihn organisiert und koordiniert ist nicht bekannt.

Medienspekulationen, wonach die konservativ-wirtschaftsliberale Serbische Fortschrittspartei (SNS), der Vučić angehört, einen Gegenprotest für Donnerstag vorbereiten würde, bestritt Vučić. Gegenproteste sind allerdings keine Neuheit in Serbien. Im Dezember 1996 hatte der damalige serbische Präsident Slobodan Milosevic zum ersten Mal zu diesem Mittel gegriffen, um mehrwöchige von der Opposition organisierte Proteste zu zerschlagen.

Parlamentspräsidentin Maja Gojkovic kündigte unterdessen für Mittwoch nächster Woche die Wiederaufnahme der Parlamentsarbeit an. Sie hatte Anfang März die Abgeordneten in den "Zwangsurlaub" geschickt, um kritische Töne auf Kosten des Wahlfavoriten Vučić zu verhindern.

Vučić soll sich um Proteste kümmern

Der scheidende Staatschef Tomislav Nikolić rief unterdessen zu "ruhigen Protesten" auf, hieß es in Medienberichten. "Jeder hat das Recht, für seine Rechte zu kämpfen. Niemand darf gegen sie vorgehen", unterstrich Nikolić gegenüber der Boulevardzeitung "Kurir". Auf den Straßen würden sich jene versammeln, die mit den Wahlresultaten unzufrieden seien, einige von ihnen, weil sie keine Arbeit hätten, andere, weil sie kein Einkommen hätten, andere wiederum, weil ihr Kandidat nicht gesiegt habe, so Nikolić .

Der serbische Präsident schloss gleichzeitig aus, sich direkt an die Demonstranten zu wenden. An diese sollte sich derjenige wenden, an den sie sich in ihrem Protest richteten, erklärte Nikolić in Anspielung auf Vučić. Der im Jahr 2012 ins Amt gewählte Nikolić war selbst monatelang um die Unterstützung der von ihm gegründeten Serbischen Fortschrittspartei (SNS) bemüht, um sich eine zweite Amtszeit zu sichern. Die Partei stellte sich aber hinter Vučić. Seitdem ist es ruhig um Nikolić geworden. (APA, 11.4.2017)