Eine Million Urlauber zählte Mallorca vergangenen Sommer – nur die Hälfte war legal untergebracht.

AFP

"Mallorca darf kein Disneyland werden", fordert Joaquín Valdivielso im STANDARD-Gespräch und räumt ein: "Selbst Vergnügungsparks haben eine limitierte Zahl an Eintrittskarten." Der Mitbegründer der Umweltschutzorganisation Terraferida (Mallorquinisch für "verletzte Erde") und Moralphilosophieprofessor an der Universität der Balearen in Palma de Mallorca hat sich dem Kampf gegen den zügellosen Boom an Ferienwohnungen, die zu Hunderttausenden über Onlineplattformen wie Airbnb angeboten werden, verschrieben.

"Wir befinden uns in einem kollektiven Rausch und steuern auf einen kollektiven Suizid zu", warnt Valdivielso. Er wittert eine neue Spekulationsblase, die Parallelen zum Immobilienboom aufweise, der 2008 in die tiefe Wirtschaftskrise mündete. Das Problem illegaler Urlaubsapartments sei nicht neu. Vor 15 Jahren stellten illegale Ferienwohnungen fast ein Viertel des Angebots, weiß Valdivielso: "Durch das digitale Onlineangebot haben sich diese um ein Vielfaches multipliziert." Zwischen 2014 und 2016 verbuchten Webplattformen einen Zuwachs von 300 Prozent. Airbnb allein stellt aktuell etwa 110.000 Wohnungen auf Mallorca, von denen "die überwiegende Mehrheit nicht legal sei".

Eine Million Urlauber

"Man muss das Bewusstsein der Urlauber dafür schärfen, welche gesellschaftlichen Auswirkungen die Wahl ihrer Ferienwohnung hat", betont Valdivielso. Das wäre ein Teil der Lösung. Es gehe aber nicht einzig um eine persönliche Konsumentenethik. Hausbesitzer, Airbnb-User, Banken und Immobilienmakler, die zuletzt massiv die Werbetrommeln für den Kauf von Ferienunterkünften zum Zwecke des Vermietens rührten, müssten sich der gesellschaftlichen und ökologischen Folgen ihres Handelns bewusst werden.

Im August 2016, ein Rekordsommer für den Balearen-Tourismus, empfing Mallorca mehr als eine Million Urlauber. Nur die Hälfte war in Hotels und legalen Ferienwohnungen untergebracht. Mangels konkreter Statistiken geht man bei Terraferida von mehreren Hunderttausend Nächtigungsmöglichkeiten aus, die nicht dem Gesetz entsprächen.

Konzentrierter Markt

Mit einer starken Tendenz zur Marktkonzentration, wie in Barcelona oder eben San Francisco. Zwanzig Personen dominieren den mallorquinischen Markt auf der Ferienmietwohnungsplattform. Sie halten aktuell 17 Prozent des Angebots, gemäß Daten der Analysewebsite Insight Airbnb. Darunter Userin "Angela", die an einem einzigen Tag knapp 700 Wohnungen feilgeboten hat.

Die Folge sei ein Prozess der "Supergentrifizierung" im Zentrum von Ibiza-Stadt und in Palma. Selbst das Hinterland bleibe nicht verschont. "Es braucht ein Limit", fordert Valdivielso. Denn die Mietpreise in Palma de Mallorca stiegen innerhalb von nur vier Jahren um 40 Prozent – primär zum Höhenflug angetrieben durch das, was man den Airbnb-Effekt nennt. Verglichen mit anderen Provinzhauptstädten Spaniens war hier der Anstieg um das Fünffache höher.

Fressen für Investoren

Das lockt Investoren aus dem In- und Ausland. Bewilligungen für Neubauten stiegen 2016 um stattliche 88 Prozent. Agrarbetriebe, sogenannte Fincas, werden flächendeckend aufgekauft und renoviert, um den Urlauberwünschen zu entsprechen. Sukzessive rebellieren die Bewohner der Baleareninsel, Nachbarschaftsvereine organisieren sich, und die Politik reagiert, wenngleich zaghaft.

Erst vergangenen Freitag legte die Regionalregierung dem Parlament der Baleareninseln eine Gesetzesreform für Ferienmietwohnungen vor, das weitreichende Verbesserungen brächte, wie Valdivielso betont: Gegen illegale Urlaubsdomizile will man nach dem Inkrafttreten vermehrt vorgehen.

Dafür wird die Zahl der Inspektoren aufgestockt. 2016 gab es lediglich zehn Beamte, die auf den Balearen nicht einmal 100 Sanktionen verhängten. Zudem würden die Umweltauflagen verschärft werden. (Jan Marot aus Palma de Mallorca, 12.4.2017)