Daniel Humm (links) arbeitet seit über zehn Jahren im Eleven Madison Park. Seit sechs Jahren betreibt er das Restaurant gemeinsam mit Will Guidara.

Foto: Eleven Madison Park, Francesco Tonelli

Das neue "beste Restaurant der Welt" liegt in der Madison Ave, direkt am New Yorker Madison Square Park.

Foto: Eleven Madison Park, Francesco Tonelli

Mittags und am Abend werden Menüs mit bis zu zehn Gängen serviert. Im Sommer wird es renoviert.

Foto: Eleven Madison Park, Francesco Tonelli

Daniel Humms Küche ist in der Tradition der Haute Cuisine verankert und dennoch innovativ.

Foto: apa/AFP PHOTO / Eleven Madison Park / Marco GROB
Foto: Georges Desrues
Foto: Georges Desrues

Zwar wird sie wegen ihres dümmlichen Namens und der undurchsichtigen Bewertungsmethoden oft kritisiert, doch als am 5. April im spektakulären Rahmen des Royal Exhibition Building in Melbourne die Liste der "World's 50 Best Restaurants" bekanntgeben wurde, war die weltweite Aufmerksamkeit groß.

Gewonnen hat zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder ein amerikanisches Restaurant, nämlich das New Yorker Eleven Madison Park, das der gebürtige Schweizer Koch Daniel Humm gemeinsam mit Will Guidara betreibt. Den beiden Gastronomen, die im Vorjahr noch auf Platz drei gereiht wurden, kommt der geldbringende Titel wohl auch deswegen gelegen, weil sie ab Sommer eine millionenteure Renovierung ihres Lokals planen.

Das Eleven Madison Park steht für einen pompösen Rahmen, für perfekten Service und für die technisch einwandfreie, in der Tradition der Haute Cuisine verankerte und dennoch innovative Küche Daniel Humms.

Daniel Humm (r.) und Will Guidara bei der Verleihung der "World's 50 Best" in Melbourne.
Foto: apa/afp/faiclough

STANDARD: Die Höchstnoten mit drei Sternen im "Michelin" sowie vier Sternen in der "New York Times" und jetzt auch noch "Bestes Restaurant der Welt" – wie schafft man es, ausnahmslos allen zu gefallen?

Daniel Humm: Wir geben jeden Tag unser Bestes, also ist es auch wichtig, anerkannt zu werden. Dabei darf man nicht daran denken, gefallen zu wollen, sondern muss einfach man selbst bleiben und machen, woran man glaubt.

STANDARD: Das würde wohl jeder Wirt an Ihrer Stelle antworten. Als die "New York Times" im Jahr 2009 Ihr Lokal zum ersten Mal rezensierte und dabei meinte, es fehle ihm der "Miles-Davis-Aspekt", haben Sie sich nach eigenen Aussagen intensiv mit diesem Künstler beschäftigt und sind also darauf eingegangen.

Will Guidara: Dass man das macht, woran man glaubt, heißt ja nicht, dass man unempfänglich ist für Kritik. Wir haben uns nach diesem Artikel intensiv mit Miles' Werk beschäftigt und erkannt, dass es unter anderem für endlose Neuerfindung steht. Darüber haben wir nachgedacht und in der Folge versucht, uns selbst auch immer wieder neu zu erfinden.

STANDARD: Ein ähnlicher Vergleich würde den Testern vom "Michelin" wohl nicht einfallen. Da stellt man sich eher vor, dass etwa ein Gastronom, der sich von zwei auf drei Sterne steigern will, hergeht und noch genauer arbeitet, noch mehr Wert legt auf Details, auf perfekte Zubereitungen, perfekten Service und Tischkultur. Was aber kann man tun, um eine bessere Platzierung in der Liste zu erreichen, bei der es sich doch eher um eine Art trendige Momentaufnahme handelt?

Humm: Also ich glaube gar nicht, dass man bei Michelin heutzutage auf Dinge wie Tischkultur und Service immer noch so viel Wert legt wie früher. Natürlich haben wir im Vergleich zu anderen einen eher klassischen, etwas traditionelleren Zugang zu den Dingen, nicht nur in der Küche, sondern auch im Service. Aber wovon wir wirklich ausgehen, ist der Wunsch, ein Restaurant zu führen, das uns so sehr entspricht wie nur irgendwie möglich. Und das in der Folge gefällt, also auch voll ist mit Gästen.

STANDARD: Dennoch waren vor allem die Rezensionen in der "New York Times" wahre Meilensteine in der Geschichte Ihres Restaurants. Fühlt man sich da nicht etwas allzu abhängig von den Kritikern?

Humm: Es stimmt schon, dass die Sterne und Bewertungen sehr wichtig sind. Immerhin haben wir enorm viele Ausgaben allein schon in der Küche, etwa was die Personalkosten betrifft sowie die exzellenten Zutaten, die wir verarbeiten. Darum dienen die Bewertungen vielen Gästen auch als Rechtfertigung für die Preise, die sie bezahlen.

Guidara: Die gehobene Tischkultur und der nach Perfektion strebende Service zählen einfach zu jenen Dingen, die wir persönlich lieben. Es hat eben auch etwas Zeit gebraucht, bis wir das nötige Selbstvertrauen aufgebaut hatten, um das Restaurant und seine Küche Schritt für Schritt an unsere Persönlichkeiten anzupassen.

STANDARD: Gut, dann stelle ich die Fragen etwas anders: Auf der 50-Best-Liste lagen Sie im Vorjahr auf dem dritten Platz. Haben Sie seitdem in Ihrer Arbeitsweise etwas Grundlegendes verändert, um auf Platz eins vorzustoßen?

Guidara: Etwas Grundlegendes mit Sicherheit nicht.

STANDARD: Und vermutlich isst man in der Osteria Francescana, die letztes Jahr noch Nummer eins war, heuer auch nicht schlechter als damals. Ist das alles für Sie nicht der Beweis, dass der Reihung etwas Absurdes anmutet?

Guidara: Wieso sollte sie absurd sein? War das Noma von René Redzepi etwa nicht das beste Restaurant der Welt, als es auf dem ersten Platz lag?

STANDARD: Nicht nach meiner Auffassung.

Guidara: Aber dennoch hat es unglaublichen Einfluss gehabt.

STANDARD: Keine Frage, folglich war es eher das einflussreichste Restaurant der Welt, was ja doch etwas anderes ist als das beste. Aber sprechen wir über Einfluss. Redzepi gilt als der Mann, der die Naturnähe in die Spitzengastronomie brachte, vor ihm stand Ferran Adria für die sogenannte Molekularküche und nach ihm Massimo Bottura für den ausgesprochenen Bezug zur Kunst. Wie würden Sie Ihren eigenen Einfluss beschreiben?

Guidara: Ich fühle mich gesegnet, weil ich in Daniel Humm einen Koch und Geschäftspartner gefunden habe, der weiß, dass der Erfolg eines Restaurants nicht allein von der Küche abhängt, sondern auch vom Zusammenspiel mit dem Service. Das ist keinesfalls selbstverständlich. In diesem Zusammenspiel liegt das Geheimnis unseres Erfolgs. Und ich denke, dass wir damit Kollegen dazu ermutigen können, der Qualität des Services und dem Beruf des Kellners mehr Bedeutung zukommen zu lassen.

STANDARD: Heißt das, dass die Kür des Eleven Madison Park den Beginn vom Ende der extremen Fokussierung auf den Küchenchef einläutet und wieder der Gast mehr in den Mittelpunkt rücken wird?

Humm: Wenn das so wäre, würden wir es begrüßen. Unsere Vorstellung von Gastronomie beinhaltet eben, dass das Essen ausgezeichnet ist, der Service aufmerksam und herzlich und die gesamte Erfahrung ein Vergnügen für den Gast.

STANDARD: Sie haben wirtschaftlich auch schon schwere Zeiten durchgemacht. Was haben Sie daraus gelernt?

Humm: Tatsächlich hatten wir eine Phase, die mit Ausbruch der Finanzkrise begann und ungefähr ein Jahr anhielt. Da blieben plötzlich die Gäste aus und wir mussten lernen zu sparen, ohne dass die Qualität darunter leiden würde. In Krisenzeiten gehen die Leute entweder in billige Restaurants oder eben in alteingesessene Spitzenlokale, aber sie meiden Restaurants der mittleren Kategorie, wie unseres damals eines war. Zu dem Zeitpunkt waren wir noch nicht wirklich anerkannt und mussten lernen, sparsam zu wirtschaften. Davon profitieren wir allerdings bis heute.

STANDARD: Und ab wann ging's wieder bergauf?

Humm: Ab dem Moment im Jahr 2009, als die "New York Times" uns den vierten Stern verliehen hat.

STANDARD: Also doch wieder dank einer Bewertung.

Humm: Die "New York Times" ist eben sehr einflussreich in unserer Stadt, das ist keine Frage. Ich wiederhole aber, dass wir nicht mit Hinblick auf Bewertungen oder Klassifizierungen arbeiten. Nur: Wenn es dann doch zu solchen kommt, möchten wir natürlich sehr wohl im Spitzenfeld liegen beziehungsweise gewinnen. (Georges Desrues, RONDO, 18.4.2017)

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