Der technologische Wandel gefährdet deutlich weniger Jobs als oft kolportiert, so eine neue IHS-Studie.

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"Es werden oft Gespenster an die Wand gemalt", sagte Martin Kocher, Chef des IHS, bei einer Pressekonferenz.

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Wien – In den kommenden zehn bis 20 Jahren dürften deutlich weniger Jobs durch die Digitalisierung bedroht sein als bisher kolportiert. Neun Prozent der Menschen in Österreich sind in Bereichen tätig, die potenziell durch neue Technologien ersetzt werden könnten. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS), die im Auftrag des Sozialministeriums erstellt und am Mittwoch präsentiert wurde.

"Es werden oft Gespenster an die Wand gemalt", sagte Martin Kocher, der Chef des IHS, bei der Präsentation des Papiers. Zwar werde sich in der Arbeitswelt einiges ändern, die Realität sei aber deutlich weniger dramatisch, als das oft dargestellt werde. Forscher des Instituts haben die mit Abstand am häufigsten zitierte Studie zum Thema adaptiert und auf Österreich angewandt. Sie ist 2013 von Carl Frey und Michael Osborne publiziert worden. Seither geistert die Meldung, wonach jeder zweite Job von Robotern gefährdet sei, durch die Medien.

Wahrscheinlichkeiten berechnet

Das IHS hat dieselbe Methodik verwendet wie Frey und Osborne. Die Forscher haben mithilfe von Robotikexperten Berufe danach durchforstet, wie einfach sie durch einen Algorithmus zu ersetzen sind. War die Wahrscheinlichkeit höher als 70 Prozent, gingen sie davon aus, dass alle Jobs in dieser Berufsgruppe wegfallen. Das IHS hat die Berufe nun in deutlich mehr einzelne Tätigkeiten aufgegliedert und für diese Wahrscheinlichkeiten berechnet.

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"Es fallen ja nicht alle Jobs innerhalb einer Berufsgruppe weg", sagte die Studienautorin Gerlinde Titelbach. Das Institut hat berechnet, dass etwa 360.000 Arbeitsplätze mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisiert werden könnten. Betroffen sind vor allem Hilfsarbeiter, Handwerker und Menschen in Dienstleistungsberufen. Zwei Drittel der Betroffenen haben maximal einen Pflichtschulabschluss.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung kommt mit der gleichen Methode zu ähnlichen Schlüssen für Deutschland. Es hat berechnet, dass mittelfristig zwölf Prozent der Jobs automatisiert werden könnten.

Fähigkeiten statt Inhalte

Die Studie hat sich nur damit beschäftigt, welche Jobs wegfallen könnten, sagte IHS-Chef Kocher. Wie viele neue Arbeitsplätze entstehen, sei nicht Thema. Am Ende des Tages könne es aber sein, dass es durch die Digitalisierung unter dem Strich mehr Jobs gebe. "Auch durch den Computer sind per saldo Jobs dazugekommen."

Auch wenn die Arbeit weniger dramatische Ergebnisse zutage fördere, sei das keine Entwarnung, so der Ökonom. Unternehmen müssten ihre Mitarbeiter fit für die digitale Zukunft machen, die Politik sich darauf vorbereiten, Arbeitslose umzuschulen. "Der 50-jährige Hilfsarbeiter wird Schwierigkeiten haben, ja", sagte Kocher. "Wir haben aber Zeit, um uns auf die neue Welt einzustellen."

Dazu müsse Österreich aber auch sein Bildungssystem reformieren. Derzeit werde in den Schulen und Universitäten noch viel zu viel auf die Vermittlung von Inhalten anstatt von Fähigkeiten gesetzt. (Andreas Sator, 12.4.2017)