Die Trinkernase garantiert keine Empathie: W.C. Fields im Nahkampf mit Landplagen (vulgo Kindern).

Foto: Filmmuseum

Wien – Der Grant ist eine Wiener Sehenswürdigkeit, die man schon um den Preis eines Kleinen Braunen haben kann. Weil er im Dienstleistungssektor besonders verbreitet ist, vermuten manche, dass es sich um ein Erbe aus der K.-u.-k.-Zeit handelt. Wiener Kellner und Kofferträger wollten die zugereisten "Untergebenen" des Reichs lieber nicht freundlich bedienen. Ihr Motto: "Und scho gemma wieda."

Deshalb darf in der mit Der große Grant betitelten Filmreihe im Österreichischen Filmmuseum vor allem einer nicht fehlen: Hans Moser. Denn kein anderer als der beliebte Volksschauspieler ist mit dem Typus des kleinen, servilen, aus Stolz jedoch auch schnell aufbrausenden Mannes so eng verbunden. Die Butterseite des Grants, zeigt Moser, ist der Schmäh, mit dem seine Figuren am Ende dann doch Herzen gewinnen, wie etwa jenes des deutschen Kammerdieners (Theo Lingen) in Wiener Blut.

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Anarchie und Mieselsucht

Das Filmmuseum will das Phänomen des Grantlers allerdings ein wenig umfassender ausleuchten. Deshalb wurden Moser drei Verwandte gegenübergestellt, der Neapolitaner Totò, der französischen Chefcholeriker Louis de Funés sowie der mieselsüchtige US-Anarchist W. C. Fields. Jeder hat seine Berechtigung, denn die schlechte Laune ist diesen Männern in fortgeschrittenem Alter zur Natur geworden: eine präventive Abwehrmaßnahme gegen zu erwartende Unbill. Fraglos kein Privileg von Männern, dennoch findet sich keine weibliche Vari-ante im Programm.

Fields ist die vielleicht interessanteste Ergänzung, denn sein Grant zeigt sich im Unterschied zu dem der anderen an keiner äußeren Erregung. Den Zustand des nicht mehr steigerbaren Genervtseins erkennt man bei dem Vaudeville-geschulten Komiker nur daran, dass er mit sich selbst zu nuscheln beginnt. Wie etwa in dieser grandiosen Sequenz aus It's a Gift: Fields versucht auf der Veranda zu schlafen, wird jedoch von einer niemals abreißenden Serie von geräuschvollen Störenfrieden immer wieder davon abgehalten.

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Fields' Figuren sind abgehärteter, womöglich einfach auch ignoranter als die seiner Kollegen. Wenn ein Blinder sein Greißlergeschäft betritt, dreht nicht er durch, sondern der zweite Kunde, der ständig nach Kumquats, einer exotischen Frucht, bellt, aber nie bedient wird. Überhaupt ist der dadaistische Lautwitz sehr ausgeprägt – Fields' Charaktere haben unaussprechliche Namen, werden aber ständig auf ihre falsche Aussprache hingewiesen.

Mangel an sozialer Kompetenz – auch Kinder sind vor Fields' Zero-Empathie nicht gefeit – trifft auf maßlose Selbstüberschätzung, dies macht den dicklichen Herrn mit Alkoholikernase zu einem der unverwechselbarsten Typen im klassischen Hollywood. Im Trump-Wahljahr feierte Fields eine Art Comeback, sah man in ihm doch plötzlich eine Vorwegnahme des US-Populisten, dem das Publikum jede Pöbelei durchgehen ließ.

Wie viel Wahnwitz wirklich in ihm steckte, konnte Fields mit seinem letzten Film demonstrieren, für den er bei Universal eine Art Carte blanche bekam – zum späteren Entsetzen der Produzenten. Fields verkörpert sich in der tolldreisten Hollywoodfarce Never Give a Sucker an Even Break selbst und attackiert vor allem die Idee eines von Studios maßgeschneiderten Kinos.

Es ist, als ob er seinen Produzenten beweisen wollte, dass er mit allem durchkommt. Hauptsache, die aberwitzigen Pointen sitzen. Nach einem absichtlichen Sturz aus dem Flugzeug – dem geliebten Flachmann hinterher -, landet er direkt im Bett einer Jungfrau, die noch nie einen Mann aus der Nähe gesehen hat. Kein Problem für W. C Fields. Und auch ohne logischen Überbau irrsinnig witzig. (Dominik Kamalzadeh, 13.4.2017)