Sogar der Kanzler hat es der Koalition beim Amtsantritt vorgehalten: Der Vorwurf der "Zukunftsvergessenheit" klebt an Rot-Schwarz wie das Hundstrümmerl an der Schuhsohle. Dabei agiert die Regierung auf manchem Terrain sehr wohl mit Weitblick. Beispiel Familienpolitik: Der Staat hat die Kinderbetreuung massiv ausgebaut – eine wichtige Investition, um nicht nur Bildungsdefizite und Integrationsprobleme von Kindern zu bekämpfen, sondern auch den Einkommensrückstand von Frauen.

Aber will die Mehrheit das Angebot überhaupt annehmen, um voll in den Beruf einzusteigen? Immer wieder tönt es aus Gemeinden, dass ganztägige Betreuungsplätze gar nicht gewünscht würden, und eine ÖVP-Umfrage ergab: 96 Prozent der Frauen in Teilzeit wollten es nicht anders.

Dabei wird jedoch Wichtiges ausgeblendet, denn die Erfahrung zeigt: Mehr Angebot schafft Nachfrage. Erst wenn es eine konkrete Alternative gibt, gerät das klassische Rollenverständnis – Mann im Beruf, Frau zu Hause – in vielen Köpfen ins Wanken. Solange ein Vollzeitjob Mütter mangels tauglicher Kinderbetreuung vor ein organisatorisches Rätsel stellt, werden viele Teilzeit anstreben.

Wer da "Zwangsbeglückung" wittert, soll bitte auch die Spätfolgen für Frauen, die auf Dauer wenig arbeiten, nicht verschweigen: Weil sich die Pension nun nicht mehr an den besten, sondern an allen Arbeitsjahren bemisst, setzt der Einkommensverlust im Alter künftig noch einmal extrahart ein. (Gerald John, 12.4.2017)