Retrospektive zum Werk des gebürtigen Salzburgers Roland Goeschl: Über einen, der die Kunst in den öffentlichen Raum tragen und das Publikum selbst Objekte gestalten zu lassen wollte.


Foto: MdM

Salzburg – Museen sind Orte zur Aufbewahrung und Präsentation von Kunstwerken, ein bürgerliches Konzept wie der ganze Kunstbetrieb, der eine recht elitäre Angelegenheit sein kann. Dass dem nicht so sein muss, zeigt derzeit das Salzburger Museum der Moderne im Rupertinum mit zwei Ausstellungen: Aktionsraum Museum und Farbraum total, Letztere eine kleine Retrospektive zum Werk des gebürtigen Salzburgers Roland Goeschl, belegen, dass die Kunst auch zu den Menschen kommen kann, wenn diese von sich aus eher nicht ihre Repräsentationsbauten besuchen.

Die Erschließung neuer Publikumsschichten ist das Ziel, so Direktorin Sabine Breitwieser, bei der Eröffnung. Ausgehend von der Tatsache, dass der durchschnittliche Besucher weiblich, über 40 und akademisch gebildet ist, versucht das MdM einen Teil der "Restbevölkerung" zu erreichen. Ein Projekt mit Vorlaufzeit, denn zuerst musste der Kontakt zu den "Museumsfernen" mittels öffentlicher Aufrufe und Bildungseinrichtungen hergestellt werden.

Die etwa 50 Teilnehmer, Volksschüler, Lehrlinge, Senioren, pflegebedürftige Kinder, Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie unbegleitete Flüchtlinge, wurden in fünf Workshops von Kunstvermittlern und Künstlern angeleitet, ihre Ideen zu Salzburg kreativ auszudrücken. So entstanden Filme, Soundinstallationen, Fotografien und Skulpturen, die einerseits die Lebenswirklichkeit und Identität(suche) der Neo-Künstler widerspiegeln, andererseits den Ort Museum zur Spielwiese machen. Ein Work in Progress, das sich erst in den weiteren geplanten Aktionen dem Ziel eines barrierefreien Museum nähern wird.

Geld regiert die (Kunst)Welt, also beginnt die Barrierefreiheit konsequenterweise schon am Eingang bei der Kassa, die in den kommenden Monaten nicht gebraucht wird. Der freie Eintritt heißt aber nicht, dass alles rund um die Schau gratis ist: An der Außenfassade hat Nina Prader einen Kaugummiautomaten installiert, der bei Einwurf einer 50-Cent-Münze zwar keinen Bazooka, aber klein gefaltete Kunstbotschaften, Zines genannt, auswirft. Kunst und Kaugummi, Hoch- und Massenkultur, haben einiges gemeinsam.

Und dann auch Humanic

Den direkten Kontakt zum Publikum suchte auch der Ende letzten Jahres verstorbene Bildhauer Roland Goeschl. Sein Ziel war es, die Kunst in den öffentlichen Raum zu tragen, das Publikum selbst Objekte gestalten zu lassen, "Kunst für Shopping-Malls" zu schaffen. So gestaltete der Wotruba-Schüler den Platz vor dem Internationalen Studentenheim in Wien oder die Außenfassade der Firmenzentrale von Humanic.

Überhaupt Humanic: Der heimische Schuhfabrikant taucht in Farbraum total immer wieder auf, denn dort entwickelte der Grazer Horst Gerhard Haberl, Leiter der "Abteilung Zukunft", wie die Werbeverantwortlichen von Humanic sich nannten, ab 1969 eine unkonventionelle Strategie, die die heimische Avantgarde aus Kunst und Literatur (u. a. etwa Richard Kriesche, Otto M. Zykan, H. C. Artmann, Andreas Okopenko, Axel Corti, Wilhelm Gaube) mit der Reklame auf damals revolutionäre Weise kurzschloss.

Ein erfolgreiches Markenbranding – jeder, der in den 1970ern und 1980ern ins TV schaute, kennt die Slogans "Franz" und "Humanic passt immer", die am Ende der Werbeclips sich ins kollektive Gedächtnis einbrannten. "Kunst als Pop", oft als Verstörung und Irritation angelegt, hat Goeschl schon in den frühen 1960er-Jahren während eines London-Aufenthalts durch die Beschäftigung mit Op- und Pop-Art entwickelt. Er gestaltete sieben der 26 in Salzburg gezeigten Spots.

Vielen Zuschauern ging das "Ausfranzen" der Avantgarde gegen den Strich: Aber die Beschwerden und Kontroversen sorgten letztlich für Popularität der Marke Humanic. Neben frühen Zeichnungen gibt es in der Schau auch Goeschls Großbaukästen, Würfel in seinen Primärfarben blau-gelb-rot zu sehen. Weiters Ausgaben der Kunstzeitschrift pfirsich, in der Goeschl, Haberl, Kriesche, und Karl Neubacher ein weiteres Vehikel zur Sensibilisierung einer breiten Öffentlichkeit für Kunst geschaffen hatten. Etwas, das in den zwei Ausstellungen im Rupertinum fortgeführt wird. (Gerhard Dorfi, 13.4.2017)