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"Ich bin nicht gern Zweiter", sagte Piëch einmal.

Foto: Fabian Bimmer / Reuters

Wolfsburg – Er war einer der großen Wirtschaftslenker in Deutschland, sein Name untrennbar mit Volkswagen verbunden – doch das ist Vergangenheit. Ferdinand Piëch, der Porsche-Enkel und langjährige Patriarch des Weltkonzerns Volkswagen, wird am Ostermontag 80 Jahre alt. Es dürfte ein stiller Geburtstag werden – große öffentliche Feiern sind nicht geplant. Piëch dürfte dazu auch nicht in der Stimmung sein.

Denn zu viel ist passiert in den vergangenen zwei Jahren. Der "Automanager des Jahrhunderts" ist Geschichte bei Volkswagen – lange Zeit völlig unvorstellbar.

Den Ausbau des VW-Imperiums sah der Österreicher Piëch als eine Art Lebenswerk. Lange Zeit regierte er erfolgreich von seinem Wohnort Salzburg aus, er war die oberste Instanz, ein VW-"König". Der "Alte" wurde er genannt. Doch das Kapitel ist beendet, nach heftigen internen Machtkämpfen. Denn Piëch ist praktisch raus aus VW und der Dach-Holding Porsche SE. Er verkaufte den weitaus größten Teil seines milliardenschweren Aktienpakets, vor allem an seinen jüngeren Bruder Hans Michel Piëch (75). Er ist der neue starke Mann im Familienclan.

VW als Dynastie

Vor fünf Jahren war das noch ganz anders – als Ferdinand Piëch 75 wurde. 2012 war das, Volkswagen eilte von Rekord zu Rekord. Piëch feierte seinen Geburtstag als Firmenpatriarch mit vielen Gästen in einem Nobelhotel in Dresden. Wenig später, bei der Hauptversammlung, wurde seine Ehefrau Ursula in den VW-Aufsichtsrat gewählt, Piëch selbst für fünf weitere Jahre im Amt als Aufsichtsratschef bestätigt – VW als Dynastie. Und quasi als verspätetes Geburtstagsgeschenk übernimmt die VW-Tochter Audi den italienischen Motorradhersteller Ducati – ein lang gehegter Traum des früheren Audi-Chefs Piëch.

Sein Ziel war es immer, Volkswagen zur Nummer eins in der Welt machen – mit allem, was auf Straßen fährt, von Kleinwagen bis zum Laster. "Ich bin nicht gern Zweiter", sagte Piëch einmal in einem Interview. Er war der mächtigste Mann bei VW. Ein Kleinanleger brachte es bei einer Hauptversammlung auf den Punkt: "Göttervater". Vor dem Urteil des genialen Konstrukteurs mit Detailliebe zitterten die Ingenieure in Wolfsburg, so gehen die Legenden. Der als autoritär geltende Chef fackelte nicht lange, der Respekt vor ihm war groß. 1999 wählte ihn eine internationale Fachjury zum "Automanager des Jahrhunderts".

Mit einzelnen Sätzen machte Piëch Unternehmenspolitik und bestimmte die Schlagzeilen. Kurz vor Beginn der IAA 2009 zum Beispiel sagte er: "Zwölf ist eine gute Zahl." Damals zählte das VW-Imperium noch neun Marken – es dauerte nicht lange, da waren es zwölf.

Alles Geschichte

Das alles ist Geschichte. Das Verhältnis zwischen Piëch und den Spitzen bei VW und der Dach-Holding Porsche SE ist zerrüttet. Zum Geburtstag allerdings schlägt VW versöhnliche Töne an. "Ferdinand Piëch hat das Automobil, unsere Industrie und den Volkswagen-Konzern in den vergangenen fünf Jahrzehnten maßgeblich geprägt", betont ein VW-Sprecher. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sagt: "Ferdinand Piëch war als Vorstandsvorsitzender der richtige Mann zur richtigen Zeit." Mit der Unterstützung der 4-Tage-Woche habe er sich große Verdienste um den Erhalt Zehntausender Arbeitsplätze erworben. "Kurz: Ferdinand Piëch hat sich große Verdienste um Volkswagen erworben. Das gilt auch, wenn ich mich manchmal über ihn ärgere."

Auch Piëch selbst meldete sich vor seinem Geburtstag knapp zu Wort. Der Branchenzeitung "Automobilwoche" sagte er mit Blick auf die VW-Mitarbeiter: "Bitte vergessen Sie die Kunden nicht, sie sind für die Existenz des Unternehmens am wichtigsten."

Als Machtzentrum aber ist Piëch weg. Und damit auch seine Führungskultur. Als Miteigentümer habe er "in einer eigenen Welt" gelebt, so hört man es nun aus dem Konzern. Das kann man nicht verstehen ohne seinen Lebensweg. Sein Großvater ist Ferdinand Porsche, Begründer der Dynastie, legendärer Autokonstrukteur, maßgeblich an der Entwicklung des VW-"Käfer" beteiligt.

Geboren in Wien

1937 wurde Piëch in Wien geboren, als Kind des Anwalts Anton Piëch und dessen Frau Louise, Tochter von Ferdinand Porsche. Nach dem Besuch eines Schweizer Internats studierte er Maschinenbau, seine Diplomarbeit schrieb er über die Entwicklung eines Formel-1-Motors.

1963 begann seine Karriere bei Porsche, er wechselt später zur jetzigen VW-Tochter Audi. Dort wurde er 1988 Vorstandschef. Der Aufstieg von Audi zum Oberklasse-Anbieter und Innovationstreiber im VW-Konzern ist ohne Piëchs Beteiligung kaum vorstellbar. Er schob den Fünf-Zylinder-Ottomotor und neue Leichtbauverfahren an.

1993 übernahm Piëch als Vorstandschef VW, inmitten einer schweren Krise. Massenentlassungen drohten. Diese wendete der von Piëch eingestellte Personalvorstand Peter Hartz zusammen mit Betriebsrat und Gewerkschaft ab – unter anderem durch die Einführung der Vier-Tage-Woche, die erst Ende 2006 wieder gekippt wurde. Piëch brachte VW wieder auf Kurs – aber auch mit Hilfe des umstrittenen "Kostenkillers" Jose Ignacio Lopez. 2002 wechselte Piëch an die Spitze des Aufsichtsrats.

Von dort aus regierte er VW, doch 2015 kam es zum Bruch. Auslöser war eine Aussage Piëchs im "Spiegel": "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" – dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, seinem "Ziehsohn".

Über die Motive wird bis heute gerätselt. Eine Erklärung: Piëch wollte seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula als Nachfolgerin an der Spitze des Aufsichtsrats durchsetzen, Winterkorn aber wollte damals selbst diesen zentralen Posten. Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei höchst unzufrieden mit der Entwicklung von VW in den USA gewesen – auch vor dem Hintergrund der später bekannt gewordenen Diesel-Probleme.

Beispielloser Machtkampf

Es folgte ein beispielloser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsrat und überraschend auch Piëchs Cousin Wolfgang Porsche stützte Winterkorn. Piëch trat als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Seinen mehr oder weniger erzwungenen Abgang hat Piëch bis heute nicht verwunden, er sei nachtragend, so hört man aus seinem Umfeld.

Piëch konnte aber immer noch Fäden spinnen. Er wollte bereits im Frühjahr 2015, und damit weit vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Diesel-Manipulationen im Herbst – auf die Probleme hingewiesen haben. Und dies auch dem innersten VW-Machtzirkel mitgeteilt haben, dem Präsidium des Aufsichtsrats mit Leuten wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Betriebsratschef Osterloh. Diese weisen die Anschuldigungen scharf zurück. Weil warf Piëch vor, "fake news" zu verbreiten. Der VW-Vorstand prüft – immer noch – mögliche Schadenersatzansprüche gegen Piech. Das Tischtuch ist zerschnitten.

Wie aber geht es weiter bei VW – ohne Piëch? Nicht wenige in der Branche meinen: Sein Abgang kann Volkswagen gut tun. Denn die Autoindustrie befindet sich angesichts alternativer Antriebe und der Digitalisierung in einem grundlegenden Wandel. Andere Führungsmuster sind gefragt. VW-Chef Matthias Müller treibt einen "Kulturwandel" voran: weniger Zentralismus, mehr eigene Verantwortung für die Mitarbeiter, mehr interne Diskussionen.

Und die Familien Porsche und Piëch als Haupteigentümer von VW stehen vor einem Generationswechsel, eine jüngere, digital geprägte Generation kommt nach. Aber kann das riesige VW-Imperium mit mehr als 600.000 Beschäftigten weltweit dauerhaft Bestand haben, ist es überhaupt noch zu führen? "Volkswagen ohne Piëch ist wie Jugoslawien ohne Tito", zitierte kürzlich das "Handelsblatt" einen Insider – nach dem Tod Titos fiel das Staatengebilde in sich zusammen. (APA, 15.4.2017)