Cash over heißt es auch fünf Monate oft noch in Indien.

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Nur die Hälfte der Bevölkerung hat hier ein Bankkonto.

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Neu-Delhi – Als der indische Premierminister Narendra Modi im November vergangenen Jahres auf einen Schlag mehr als vier Fünftel des Bargelds im Land für ungültig erklärte, versprach er vor allem zwei Dinge. Erstens: Durch den Zwangsumtausch aller großen Scheine in neue Banknoten würde er Schwarzgeld und Korruption den Garaus machen. Zweitens: Die Übergangszeit werde hart, aber nach dem 30. Dezember werde das Leiden ein Ende haben.

Dass dem nicht so ist – vor allem was den zweiten Teil des Versprechens betraf – stellte sich schnell heraus. Ende Dezember waren immer noch die meisten Bankomaten leer, Auszahlungen in der Bank hatten eine wöchentliche Obergrenze von weniger als umgerechnet 350 Euro. Zahlreiche kleine Händler und Bauern auf dem Land ohne Bankkonto litten unter dem Bargeldmangel, wie lokale Medien fast täglich berichteten.

Fünf Monate später herrscht weiter Mangel

Doch auch jetzt – Mitte April 2017 – ist man von Normalität weit entfernt. Den Bankomaten geht wieder das Geld aus, berichtet die Financial Times. Die Zentralbank mache nicht genug, um fünf Monate nach dem Startschuss für die Bargeldreform genug Bares bereitzustellen. Nachdem im April dieses Monats Geldmaschinen in Großstädten wie Mumbai, Bangalore, Chennai und Pune auf dem Trockenen sitzen, sagen Analysten, dass die Zentralbank zu früh die Geschwindigkeit beim Gelddrucken zu drosseln begann.

Die Zahl der Geldscheine, die sich im Umlauf befinden, liegt demnach erst bei zwei Drittel des Volumens vor der Reform. Während die Regierung sich beeilte zu erklären, dass man zur Normalität zurückgekehrt sei, behaupten verschiedene Bankomatbetreiber, die Geld von den Banken einsammeln, um ihre Geldautomaten zu befüllen, das Gegenteil: Banken würden ihrerseits die Scheine horten, um bevorzugt ihre eigenen Kunden zu bedienen, anstatt es über das gesamte Land zu verbreiten.

Digitales Zahlen

Mit der Bargeldreform versucht die Regierung nicht nur der Korruption und dem Schwarzgeld zu Leibe zu rücken. Sie ist auch ein Versuch, die Bevölkerung, von der nur rund die Hälfte ein Bankkonto hat, Richtung digitales Zahlen zu schubsen. Ökonomen fürchten nun, dass dieses Ziel unterlaufen wird. Ashish Gupta, Analyst der Credit Suisse, sieht das in der Financial Times so. Die Regierung wolle – so seine Einschätzung – den Bargeldanteil in der Wirtschaft zurückdrängen. Wenn Scheine aber Seltenheitswert hätten, steige die Neigung sie zu horten.

Ohnedies würden nicht notwendigerweise die digitalen Transaktionen steigern, nur weil Cash knapp sei, ergänzt Ritika Manka, Senior Economist bei Ambit Capital. Er fürchtet eher unerwünschte Nebenwirkungen: "Man wird ökonomische Aktivitäten abwürgen, weil in Indien die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten im informellen Bereich passieren." Die meisten Transaktionen in Indien würden Cash abgewickelt, so Mankar, verantwortlich für 70 Prozent der Beschäftigung und 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Wie sich die radikale Reform tatsächlich auf die Wirtschaft auswirkt ist noch offen. Die Wachstumsraten sollen sich nach Ansicht von Indiens Statistikern heuer bei knapp über sieben Prozent einpendeln. Das würde allenfalls eine kleine Wachstumsdelle bedeuten. (red, 16.4.2017)