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Insgesamt drei Wirkstoffe werden dem zum Tode Verurteilten injiziert: ein Betäubungsmittel, danach Pancuroniumbromid, das Muskeln lähmt, und schließlich Kaliumchlorid, das den Herzschlag stoppt.

Foto: Courtesy Jenevieve Robbins/Texas Dept of Criminal Justice/Handout via REUTERS

Es passiert nicht oft, dass sich ein Richter an eine Pritsche fesseln lässt, um nachzuempfinden, wie sich ein Hinrichtungskandidat in den letzten Minuten seines Lebens fühlen muss. Genau das aber hat Wendell Griffen getan, ein Richter in Pulaski County, einem Verwaltungsbezirk in Arkansas.

Am Rande einer Demonstration in Little Rock, der Hauptstadt des südlichen Bundesstaats, legte er sich auf eine Klappliege, ließ seine Beine mit Seilen festbinden, und obwohl natürlich nicht jedes Detail der Realität einer Todeskammer im Gefängnis entsprach, war die Botschaft doch klar. Auf eine Pritsche geschnallt, mit Gurten, nicht mit Seilen, wartet ein zum Tode Verurteilter darauf, dass ihm Ärzte Kanülen in die Armbeugen stechen und der Giftcocktail zu wirken begann. Griffen wiederum, Afroamerikaner, früher nebenbei Pfarrer, ist zu einem Hoffnungsträger der Gegner der Todesstrafe geworden. Vor Ostern hat er entschieden, eine geplante Hinrichtungswelle vorerst aufzuschieben. Er gab der Klage eines Pharmagroßhändlers statt, der sich dagegen verwahrte, dass ein von ihm vertriebenes Medikament bei Exekutionen verwendet wird.

Aufforderung zum Rücktritt

Seitdem scheiden sich die Geister an Griffen. Stramm konservative Senatoren in Arkansas fordern den Juristen zum Rücktritt auf. Für den Fall, dass er nicht freiwillig geht, drohen sie mit einem Amtsenthebungsverfahren. Worauf Griffen gelassen entgegnet, seine persönlichen Überzeugungen hinderten ihn ja nicht daran, das Recht korrekt auszulegen. Vom Ausgang des Personalstreits hängt es womöglich ab, ob Arkansas bald mit einer Welle von Exekutionen in die Schlagzeilen gerät.

Bis Ende des Monats, so die ursprüngliche Absicht, wollte man acht Häftlinge mittels Giftspritze töten. In der jüngeren Geschichte der USA wäre es ein trauriger Rekord: Kein anderer Bundesstaat hat so kurz hintereinander so viele Menschen hinrichten lassen, seit der Oberste Gerichtshof die Todesstrafe 1976 nach vorübergehendem Moratorium wieder für zulässig erklärte. An vier Tagen sollten jeweils zwei Häftlinge sterben, ein Zeitplan, der Kritiker von makabrer Fließbandmentalität sprechen lässt.

Affront gegen menschliche Würde

Allein deshalb hatten die Anwälte der acht Todeskandidaten Einspruch eingelegt: Die Hast sei ein Affront gegen die menschliche Würde. Dann begründete der Gouverneur von Arkansas die Eile mit Gründen der Effizienz, was so herzlos klang, dass es die Proteste nur noch verstärkte. Irgendwann hatten die Behörden nämlich entdeckt, dass am 30. April die Haltbarkeitszeit ihrer Midazolam-Bestände ablaufen würde. Aus Gründen der Ökonomie, so hat es Asa Hutchinson erklärt, dürfe man daher nicht länger mit dem Vollzug warten. Der Gouverneur, ein Republikaner, will nächstes Jahr wiedergewählt werden.

Es sind drei Wirkstoffe, die dem auf der Pritsche Festgeschnallten in die Venen gespritzt werden: zuerst ein Betäubungsmittel wie Midazolam, dann Pancuroniumbromid, das die Muskeln lähmt, schließlich Kaliumchlorid, das den Herzschlag stoppt. Der schnelle, klinisch reine Tod durch die Injektion – zu oft hat er sich als Märchen entpuppt. Dennis McGuire etwa litt im Jänner vor drei Jahren 26 Minuten lang furchtbare Qualen, ehe Mediziner im Gefängnis von Lucasville in Ohio seinen Tod feststellten. Theoretisch sollte es drei Minuten dauern, bis die Giftmischung ihre Wirkung erzielte. Doch nach drei Minuten krümmte sich McGuire noch immer vor Schmerzen, rang nach Luft. Sonia Sotomayor, Höchstrichterin am Supreme Court, sprach später vom chemischen Äquivalent des Scheiterhaufens.

In Arkansas, auch das ein Novum, war es erstmals ein US-amerikanischer Konzern, der gegen den Missbrauch seiner Produkte durch die Hinrichtungsmaschine klagte. Der Pharmagroßhändler McKesson sah sich hinters Licht geführt, weil die Behörden verschwiegen hatten, wofür sie die bestellten Medikamente brauchten. Beharrte man auf den Exekutionen, begründete Griffen sein Urteil, nähme das Image des Händlers erheblichen Schaden. (Frank Herrmann aus Washington, 17.4.2017)