Ebenso schräg wie genial packte der US-amerikanische Underground-Comic-Künstler Robert Crumb das Thema Automobil an.

Foto: R. Crumb

André Franquin verewigte Jean-Albert Grégoires Turbinenwagen als "Turbo-Rhino 1" in einem seiner "Spirou et Fantasio"-Strips

Foto: Dupuis Verlag

Donald Ducks meist rotes Auto – ein Belchfire Runabout 1934, "Motor aus dem Jahre 1920, Räder von einem Rasenmäher ... aber es läuft!"

Foto: Ehapa verlag

Die Inspirationen für "Quick" holte Franquin sich von Buick Riviera, Hudson Italia und Ford Thunderbird.

Foto: Dupuis Verlag

Jean-Albert Grégoire war ein französischer Tausendsassa, er war Buchautor, Leichtathlet, Rugbyspieler, Doktor der Rechte, Rennfahrer und vor allem ein genialer Automobilingenieur. Mit 25 konstruierte er – in den Zwanzigerjahren! – das erste Serienfahrzeug mit Frontantrieb. Alu-Autos entwickelte er und sogar einen Elektrowagen.

1952 machte er sich an ein besonders ehrgeiziges Projekt. Autos mit Turbinenmotor wie bei einem Düsenjäger galten Anfang der Fünfzigerjahre als Zukunftshoffnung, und Grégoire sollte da die französische Ehre retten. Den Motor gab es schon, er gestaltete dazu eine extrem aerodynamische Karosserie, die noch heute eine gute Figur machen würde. Leider bekam man sie kaum zu sehen, denn nach einem Auftritt auf dem Pariser Automobilsalon 1953 war dem schönen Socéma-Grégoire nur ein kurzes Leben beschieden.

Auferstehung auf Papier

Auf dem Papier erfuhr er allerdings eine wunderbare Auferstehung. Der Comic-Künstler André Franquin verewigte den Turbinenwagen als "Turbo-Rhino 1" in einem seiner Spirou et Fantasio-Strips. Das hellblaue Cabriolet, eine Flunder mit zentralem Ansaugstutzen vorn wie eben damals die kleinen Kampfjets, diente den beiden Abenteurern bei ihren Fluchten.

Franquin aus Brüssel, einer der Säulenheiligen der frankobelgischen Zeichenstripszene, war überhaupt Autos aller Art zugetan. In seinen Geschichten spielten sie prominente Rollen, und je nach Story bediente er sich beim existierenden Angebot oder bastelte spezielle Kreuzungen. In der Geschichte La Quick Super (1958) etwa geht es um den gleichnamigen Wagen, einen US-Straßenkreuzer, der an mehrere damalige Modelle erinnert. Das war kein Zufall. Comics-Archäologen haben festgestellt, dass Franquin sich beim Quick vom Buick Riviera, vom Hudson Italia und vom Ford Thunderbird hat inspirieren lassen. Und vom de Soto 1955 – für ein wichtiges Detail: Die Kühlerfigur, ein pfeilförmiges Flugzeug, sticht einen Polizisten, der den Verkehr regelt, so präzise an der richtigen Stelle, dass er vor Schreck auf einen vorbeifahrenden herzigen kleinen Renault 4CV hüpft (der wiederum sehr naturgetreu gezeichnet ist).

Ermitteln im DKW

Die Detektive in der Geschichte fahren kurioserweise einen DKW, einen Zweitakter und Dreizylinder des längst verblichenen deutschen Herstellers Dampf-Kraft-Wagen, ziemlich das Gegenteil eines Traumautos – aber das Familienauto der Franquins. Um es aus allen Perspektiven zu zeichnen, brauchte er nur vor die Haustür zu gehen.

Nicht alle Comic-Künstler machen sich derartige Mühe mit den Autos in ihren Storys. Manche heuern Zuarbeiter an, Unsung Heroes, möglicherweise Nerds, die nichts als Autos im Kopf und eine begnadete Hand haben und die beliebige Wagen in allen Phasen der Bewegung und der ruinösen Zusammenstöße festhalten können.

Pininfarina

Jedenfalls gehören Automobile zum Inventar vieler Comics, wenn sie nicht gerade im Mittelalter oder auf fernen Planeten spielen oder so aufs Minimum reduziert sind wie die Peanuts. Sie dienen häufig als Statusobjekte, wie früher im wirklichen Leben und für manche noch heute. Die Helden jagen den Bösewichtern nach und erwischen sie, oder, je nach Gemütslage und Moral, die Helden entkommen den Polizisten – jedenfalls tun sie das stilvoll. Da kommen dann Autos zum Einsatz, wie sie nur selten in Wohnsiedlungen parken, ein klassischer Jaguar E-Type vielleicht oder ein Coupé von Pininfarina, ein Ford Mustang frühen Jahrgangs oder auch einmal der Ur-Mini.

Zeichner überlegen sich gut, wer an welchem Steuer sitzt. Hergé, der Schöpfer von Tintin / Tim und Struppi und ein großer Naturalist unter den Comic-Künstlern, hat nicht nur Städte und Landschaften, sondern auch Fortbewegungsmittel in seinem Ligne-claire-Stil präzise wiedergegeben. Auf Expedition im Kongo sind die Titelhelden noch mit einem Ford-T, der Tin Lizzy, unterwegs, durch die Wüste fahren sie mit einem Lancia Aprilia 1937. Auf der kurvigen Uferstraße des Genfer Sees ist der aus Filmen als Gangsterfahrzeug bekannte Citroën TA (ebenfalls ab 1937) gerade richtig, in Amerika fährt der Bandit Bobby Smiles Tim in einem Bugatti 35 davon, und ein Willys, der Original-Jeep, kurvt durch Arabien.

Gegen das Böse

Noch zentraler sind Autos in Zeichengeschichten wie den Abenteuern Michel Vaillants, des Rennfahrers, der in so gut wie allen Rennklassen alle Preise gewonnen hat und dann noch das Böse in der Welt bekämpft.

Es geht aber auch ganz anders. Vor einiger Zeit fuhren wir auf der Autobahn und näherten uns einem auffallend langsamen Fahrzeug. Es war ein Topolino (von Fiat, gebaut von 1936 bis 1957), und als wir ihn schon fast überholten, sahen wir, dass zwei Kinder auf der Hinterbank im Freien saßen, weil das Fetzendach nach vorn ausgerollt war und man hinten praktisch wie in einem hochgeklappten Kofferraum sitzt. Es war nicht zu übersehen: wie das Auto von Onkel Donald mit den Neffen hinten!

Carl Barks

Was uns zu Disney und seinem Fuhrpark bringt. Die Comics des Zeichentrickpioniers entstanden ja während der zunehmenden Motorisierung in den USA, und die Zeichner hatten die Freiheit, die anthropomorphen Figuren aus dem Mäuse- und Entenreich mit beliebigen Fahrzeugen auszustatten. Sie nutzten sie, allen voran Carl Barks, der "good duck artist".

Wieder ist es Fans und Nerds zu verdanken, dass wir über die Herkunft der Disney-Autos ziemlich gut Bescheid wissen. Oma Ducks Elektromobil zum Beispiel entspricht naturgetreu dem Modell Priscilla der Firma Detroit Electric (1908-1920).

Repräsentieren in Entenhausen

Gustav Gans hält sich naturgemäß eher angeberische Sportwagen, Daniel Düsentrieb kurvt mit selbstentwickelten Sonderlingen durch die Straßen oder auch einmal durch die Lüfte. Bei Onkel Dagobert wird's kompliziert. Einerseits ist der Fantastillionär ja knausrig und wurde früher in heruntergekommenen Rostlauben gesehen. ("Ich muss ins Museum, ein paar Ersatzteile kaufen.") Andererseits soll er in Entenhausen doch auch repräsentieren, daher hat er Autos – Limousinen, Landaulets, Cabrios, egal -, die so lang sind, dass er sich mit dem Chauffeur am Telefon unterhalten muss.

Donald Ducks meist rotes Auto aber ist auf wunderbare Weise zeitlos altmodisch, Ballonreifen, Klappbank hinten, fast mehr breit als lang, so ein Auto gab's eigentlich nie, und doch ist es Generationen von Duck-Fans gegenwärtig und selbstverständlich. In duckipedia.de und jalopnik.com sind die technischen Daten nachzulesen. Es handelt sich um einen Belchfire Runabout 1934, "Motor aus dem Jahre 1920, Räder von einem Rasenmäher ... aber es läuft!"

Und wie. Das Autos bockt und stottert, es verliert Luft und Schrauben, doch mit seiner Hilfe fantasieren wir uns in Regionen, die uns sonst verschlossen bleiben. Donald sitzt unverdrossen am Steuer, und schon auf der zweiten Seite heißt es: "Kommt, Kinderchen, wir fahren nach Alaska!" (Michael Freund, 28.4.2017)