Klaus Bischoff, Jahrgang 1961, ist seit 2004 Designchef der Marke VW.

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Der Arteon zeigt, dass sich die Baureihen künftig deutlich voneinander unterscheiden.

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Der I.D. Buzz. trifft auf den T1.

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Die Studie verrät: Die E-Mobile von VW werden ohne Kühlergrill auskommen.

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Sedric ist eine VW-Studie für den öffentlichen Transport.

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Und so schaut Cedric von innen aus.

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STANDARD: Spricht man den CC-Nachfolger Árteon aus oder Artéon? Ist er also englisch inspiriert oder dem klassisch griechischen Schönheitsideal verpflichtet?

Bischoff: Da müssen Sie jetzt einen Linguisten fragen. Aber einer quer motorisierten Limousine so viel Eleganz einzuhauchen, das ist keine leichte Aufgabe. Ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen. Die Proportionen sind stimmig, wir haben eine ganze Reihe von Elementen, die zeigen, wie wir formensprachlich Limousinen definieren und eleganter machen.

STANDARD: Golf, Sharan, Touran, Passat etc., die sehen alle gleich aus. Der Tiguan scherte erstmals aus, nun der Arteon. Kriegen die Baureihen einen eigenständigen Auftritt?

Bischoff: Es geht uns darum, eine Markenidentität als großes Bild zu generieren. Ich darf mich nie fragen, wenn ich vor einem VW stehe: Was ist denn das für eine Marke? Wir kommen ja aus einer Zeit ohne starke, ausgeprägte Markenidentität. Dann haben wir die verschärft, über die Palette gezogen. Und jetzt entwickeln wir Einzelidentitäten.

STANDARD: Der Lamellengrill bleibt auf längere Sicht?

Bischoff: Den werden wir in Iterationen sehen, wir werden aber auch andere Grillformen sehen.

STANDARD: Und bei der Elektromobilität?

Bischoff: Wir öffnen ein völlig neues Kapitel in der Ausbildung von Markenidentität mit den E-Fahrzeugen – die haben keinen Grill. Man sieht zwar auch schon E-Fahrzeuge mit Grill. Wie sagen aber: Neee. Ein E-Auto braucht keinen Grill. Ganz einfach auch, weil VW ja geboren worden ist als Marke ohne Grill. Der Käfer hatte keinen. Der hatte einen luftgekühlten Motor hinten und ein freundliches, sympathisches Gesicht.

STANDARD: Zurück in die Zukunft?

Bischoff: Wenn man so will, ist das eine Neuinterpretation eines VW-Themas, das eine gewisse Anknüpfung an die ersten Tugenden der Marke hat. Die Studie I.D. Buzz zeigt , wie man eine VW-Identität modern interpretieren kann und trotzdem freundlich, sympathisch, offen. Wir wollen diese neue Form der Mobilität nicht brutal, aggressiv inszenieren.

STANDARD: Zum autonomen Fahren. Die Studie Sedric wurde präsentiert als Appetitanreger für die Mobilität von übermorgen. Tritt die Ästhetik bald in den Hintergrund?

Bischoff: Wenn man so will, ist das bei dem Sedric pures Produktdesign. Das ist ja an der Grenze zum Public Transport. Dass wir als Gruppe, als Konzern solche Themen explorieren und mal zur Diskussion stellen, finde ich hochspannend. Wie sieht das aus, wenn Taxis führerlos im städtischen Bereich rumfahren, als urbanes Möbel mit hoher gestalterischer Qualität. Begehrlichkeit? Spielt da nicht so eine Rolle.

STANDARD: Wie weit wird das autonome Fahren die Innenraumdesigns beeinflussen?

Bischoff: Massiv. Das Internet und damit eine Multioptionalität hält Einzug ins Fahrzeug. Ich werde überschwemmt mit Funktionen, Informationen. Die zu paketieren, zu sortieren, die Informationsinhalte so zu strukturieren, dass Menschen das noch verstehen und bedienen können, ist die ganz naheliegende Herausforderung. Wir diskutieren intensiv Bedienergonomie. Wir haben schon früh auf Touch gesetzt ...

STANDARD: ... leider ...

Bischoff: ... Das kann man so und so sehen. Milliarden von Menschen wachsen im Moment auf mit Touch-Bediensystemen.

STANDARD: Die wackeln aber nicht mit dem Finger davor herum.

Bischoff: Ja, das ist ein Punkt, den wir kennen und auch wissen. Da geht es jetzt darum, Arten zu finden, wie ich mit dem Interface agieren kann. Dazu packe ich die Information dahin, wo ich sie am besten verarbeiten kann, ins Blickfeld. Und wenn ich mit dem Auto kommuniziere, wär's am Besten, ich tue das sprachlich. "Ich möchte nach Hause." "Ich hab' keine Lust zu fahren, mach du mal." Diese Art von Kommunikation ist das Ziel. Dazu brauche ich aber mächtige Rechner. Und man muss ständig mit dem Internet verbunden sein.

STANDARD: Lehnen sich die neuen Fahrzeugtypen an die heutigen an – oder werden wir völlig neue sehen?

Bischoff: Die sind vom Design her alle anders als heutige Autos. Aber wir sehen etwa beim I.D. Buzz: Das ist eine Antwort auf die Frage nach einem MPV der Zukunft. Eine Antwort auf einen möglichen SUV gibt's demnächst in Schanghai.

STANDARD: Was ist heute am Design von Volkswagen noch deutsch?

Bischoff: 'Ne schöne Frage. Ich würde auf jeden Fall sagen, dass der philosophische Unterbau zutiefst europäisch ist. Ob es jetzt deutsch ist, weiß ich nicht.

STANDARD: Aber Sie sind ein deutscher Konzern.

Bischoff: Ja, sind wir. Als Deutscher angesprochen: Der philosophische Unterbau speist sich natürlich aus einer Designkultur, die – verzeihen Sie, wenn ich das Bauhaus bemühe ... Nein, anders rum. Apples Designphilosophie basiert auf Schlichtheit, Präzision und Einklang von Gestaltung und Funktionalität. Ich sehe mich in dieser Tradition – die eine Braun-Tradition ist, Dieter Rams; und von Frog Design begründet wurde. Diese klare, schlichte, auf Wertbeständigkeit, Schönheit gebaute Philosophie ist mir sehr eigen. Ich bin nicht aus auf den vordergründigen Effekt. Das versuche ich zu leben.

STANDARD: Vor hundert Jahren schon geisterte das fliegende Auto herum. Nun lässt der Fortschritt bei den Drohnen erwarten, dass man die bald einmal mit Sitz versieht. In Dubai etwa wird das demnächst Realität.

Bischoff: Finde ich spannend. Aber für mich heute bin ich doch ganz froh, mit vier Rädern auf dem Boden zu stehen. Vor dem autonomen Fliegen probiere ich erst mal das autonome Fahren.

STANDARD: Ihre persönlichen Favoriten aus der Autogeschichte?

Bischoff: Da bin ich leider sehr monokulturell unterwegs: Porsche 356, Käfer und mein vielgeliebter T1. (Andreas Stockinger, 26.4.2017)